Auf Spurensuche im Vieburger Gehölz

Etwa 1924 bis 1926 errichtet, nach dem 2. Weltkrieg zugeschüttet. Foto: Stadtarchiv Kiel

Exkursion mit Heidi Kjär auf Grundlage von fast 100 Jahre alten Archivfotos

Mitten im Vieburger Gehölz, umgeben von Dickicht und umgestürzten Bäumen, liegt ein geheimnisvolles Wasserbecken. Gefertigt aus Beton und mit einem Durchmesser von circa zehn Metern, stellt diese Konstruktion die Neugierigen vor ein Rätsel. Wer hat dieses Becken gebaut? Und welchem Zweck diente es?

Gemeinsam mit Heidi Kjär begibt sich unsere Redaktion auf eine Expedition in den Wald. Ein wichtiger Anhaltspunkt für uns waren mehrere Archivfotos, die das Stadtmuseum Warleberger Hof anlässlich des Jubiläums ‚100 Jahre Kieler Grüngürtel‘ ausgestellt hat. Auf ihnen ist ein kreisrundes Wasserbecken kurz nach seiner Errichtung 1928 zu sehen.
Es war wohl eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, um die große Arbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg zu bekämpfen und den Kindern aus der Umgebung ein Planschbecken zu geben.

Nervenheilanstalt Hornheim
Auf dem Weg erläutert Heidi Kjär uns die Namensherkunft des Hornheimer Wegs. Dieser habe seinen Namen nämlich nach einer der ersten privaten Anstalten für psychisch Erkrankte in Schleswig-Holstein erhalten. Der Psychiater Peter Willers Jessen aus Flensburg habe die Anstalt Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und sie nach zwei seiner Professoren aus Berlin benannt: Prof. Horn und Prof. Heim. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn die Anstalt und führte sie bis 1898 weiter.
Das Hauptgebäude der Klinik wurde 1945 bei einem Luftangriff zerstört. Die genaue Stelle der ehemaligen Klinik lässt sich nur vermuten. Sie liegt wahrscheinlich an der Erhöhung im Hornheimer Weg, wo die Häuser 20 bis 32 stehen.

Von Bäumen überwuchert
Als wir das Betonbecken erreichen, geht es an die „Forschungsarbeit“. Unser Ziel ist es, die beiden auf den Bildern erkennbaren Zuwege zu finden, die zum Becken hinabgeführt haben, sowie den Rundweg nachzuvollziehen, der damals den gerade angepflanzten Wald durchquert hatte. Zudem hoffen wir, irgendwelche Hintergründe über dieses Areal rund um das Becken zu finden.
Vor dem Becken stehend, ist unsere erste Aufgabe, die Position zu finden, von der die Fotos in den Jahren 1928/29 aufgenommen wurden. Viele Anhaltspunkte auf Archivfotos sind längst von Bäumen und Sträuchern überwuchert.

Steht Haus auf der Anhöhe noch?
Unsere beste Chance, die Ausrichtung des Beckens zu bestimmen, ist ein Wohnhaus, das auf einem Archivfoto weit oben im Hintergrund zu erkennen ist. Falls dieses nicht abgerissen oder im Krieg zerstört wurde, könnte es uns eine Hilfe sein. Um unsere Vermutung zu überprüfen, gleichen wir die das Becken umgebenden Hügel mit denen auf den Fotos ab und marschieren los. Aufgrund der in der Zwischenzeit hochgeschossenen Bäume kann der Blick nicht mehr so weit schweifen wie zur damaligen Zeit. Deswegen können wir unser Ziel erst erkennen, als wir
direkt davor stehen.
Damit wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nehmen wir den auf den Bildern mit großen Steinen befestigten Weg, welcher etwas verschlungen zu dem Haus führen müsste. So können wir gleichzeitig das Haus finden und den Weg überprüfen. Und tatsächlich finden wir an der Seite des Weges vereinzelt Überreste dieser Steine. Ansonsten ist von dem in den Hügel gehauenen Weg nicht mehr viel übrig. Nun bedecken umgestürzte Bäume anstatt aufgeschütteter Steine unseren Weg. Wir klettern erst durch das Dickicht und wandern anschließend die steile frühere Rodelbahn empor zum Petersburger Weg. Ganz am Ende, oder von uns aus gesehen am Anfang, liegt das Haus mit der Nummer 132. Ein Vergleich mit dem Foto macht uns schnell klar, dass wir das richtige Haus gefunden haben. Sowohl die Konstruktion des Giebels als auch der Anbau und das Nachbarhaus stimmen mit denjenigen auf den Bildern überein. Die Ausrichtung des Beckens ist damit also gesichert.

Wo sind die Zugangswege?
Nächste Aufgabe ist die Suche nach den beiden Zugangswegen. Als wir an dem Becken ankommen, fallen uns zuerst zwei gemauerte und mit Beton übergossene Mauern auf, die zum Becken führten. Sie sind jedoch zu dicht nebeneinander, um die Überreste der Wege auf den Archivfotos zu sein. Die Dimensionen passen einfach nicht. Und auch ihre Ausrichtung stimmt nicht mit der auf den Bildern überein.
Zu unserem Glück finden wir zufälligerweise, quasi weil wir drüber stolpern, etwas weiter rechts von den Mauern einen aus der Erde ragenden Stein. Indem wir ihn behelfsmäßig freilegen, erkennen wir, dass es sich hierbei um eine Treppenstufe handelt. Nach weiterem Graben finden wir auch die zweite Stufe. Endlich stimmen Dimension und Ausrichtung miteinander überein.

Treppenanlage bleibt verschollen
Nun geht es daran, die mit Treppen versehene Aufschüttung zu finden, die auf dem Foto auf Seite 14 in der Ferne zu erkennen ist. Die Treppen samt Aufschüttung, die möglicherweise etwas wie eine Tribüne dargestellt hat, vermuten wir an der Erhöhung. Obwohl laut unserer Einschätzung die Dimensionen und Entfernungen übereinstimmen, können wir dort keine Überreste der Treppen finden. Auch die Frage nach den Hintergründen dieser Anlage lässt sich noch nicht beantworten.

Hinweise auf NS-Vergangenheit
Glücklicherweise läuft uns die Antwort in Person von Gerd Küchmeister und seinem Sohn bei ihrem Waldspaziergang entgegen. Interessiert daran, was wir hier im Unterholz treiben, kommen wir ins Gespräch.
Der Anwohner des Krummbogens weiß uns zu helfen. Seinen Ausführungen nach müsste die Anlage mit dem flachen Feld, der tribünenartigen Erhöhung und dem Becken als Exerzier- und Ertüchtigungsplatz der SA gedient haben. Die Grundstücke der in den 1930er-Jahren angelegten Siedlung erhielten Parteigrößen der NSDAP. Bei der Planung der Siedlung wurden offenbar gleich das nah gelegene SA-Lager sowie die Hitlerjugend berücksichtigt. Dabei diente die rätselhafte Erhöhung womöglich als Ort, an dem Reden und Paraden abgehalten wurden.
Wir vermuten, dass dieser Platz als Gegenpol zum Exerzierplatz Kiel-Süd entworfen wurde, der zwischen dem Vieburger Gehölz und der Hamburger Chaussee lag. Dort hatte der Matrosenaufstand seinen Anfang genommen, der den Ersten Weltkrieg und das Deutsche Reich beenden sollte. Um diesem Platz etwas entgegenzusetzen, schuf sich die SA ihren eigenen Platz.

Zugeschüttete Bunkeranlagen
Zufrieden geht es auf den Rückweg. Wir haben auf dieser Exkursion einige spannende Entdeckungen gemacht. Jetzt fehlt es uns nur noch, die Treppenanlage ausfindig zu machen.
Falls interessierte Leserinnen und Leser dieses Abenteuer auf sich nehmen möchten, so sollten sie sich vom Becken aus in Richtung 223 Grad Südsüdwest durch das Dickicht schlagen. Dort müssen sie allerdings über die zugeschütteten Bunker steigen. Das ist aber eine andere Geschichte.

Steine auf den Waldwegen
Ein weiteres Rätsel im Vieburger Gehölz sind die weißen Markierungssteine auf den Waldwegen, die noch vereinzelt im Abstand von zwei Metern wie ein Mittelstreifen auf den Waldwegen liegen.
Wer über diese Ziegelsteine, die Bunker oder über das Becken etwas Genaueres weiß, ist eingeladen, uns unter Telefon 0431 / 26 09 3241 oder redaktion@kiellokal.de Hinweise zu geben. Wir freuen uns über Ihre Beteiligung und Hilfe bei der Freilegung der vom Wald verdeckten Geschichte.CB