Die Stadt Kiel soll aufblühen

„18 Blühwiesen für Kiel“ heißt das Programm, mit dem die Landeshauptstadt mehr als nur ein Zeichen gegen das Insektensterben setzen will. Zusammen mit Kindern und Jugendlichen des Hasseer Jugendtreffs „Station 113“ hat ein Team des Grünflächenamts jetzt die Altenrader Rasenfläche umgewidmet.

Über die Hälfte der Insektenarten in Schleswig-Holstein ist vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Diese alarmierende, wissenschaftlich belegte Nachricht hat im Mai 2019 zum Ratsbeschluss geführt: In jedem der 18 Kieler Ortsteile soll unter Beteiligung der Einwohner*innen und Ortsbeiräte nach einer geeigneten Fläche für eine Blühwiese gesucht werden. Im Oktober 2020 sind daraufhin die ersten drei Wiesen angelegt worden.

Kulturfläche Blühwiese
Wiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Europa. Kein Wunder also, dass über die Hälfte der heimischen Pflanzen Grünlandarten sind. Stellen Sie sich vor: Artenreiches Grünland besteht aus 30 bis 60 Pflanzenarten, und im Schnitt kommen auf jede Pflanzen-art zwölf Insektenarten. Damit ist die Blühwiese ein einzigartiger Lebensraum, Nahrungsquelle und auch Nistplatz für Insekten. Damit aus einer Gebrauchsrasenfläche wie der in Hassee an der Ecke Altenrade / Neuenrade eine Blühwiese wird, braucht es mehr als den Verzicht aufs Mähen. Idealerweise ist der Boden von sich aus eher mager. Die vorhandene Fläche wird dann umbrochen, also maschinell „umgegraben“, und anschließend findet die Neuansaat mit einer geeigneten Saatmischung statt. „Wir nutzen ein speziell für Kiel zusammengestelltes Regio-Saatgut“, erklärt Anna-Margareta Bläse vom Grünflächenamt, „darin enthalten sind 37 Pflanzenarten.“ Einheimischer geht es nicht. Geachtet wurde dabei unter anderem auch auf eine geringe Anzahl Gräser und einen übers Jahr gesehen langen Blühzeitraum.
Um in voller Pracht aufzublühen, braucht es dann noch Zeit. In zwei bis drei Jahren etwa wird die Hasseer Blühwiese voll entwickelt sein, vorausgesetzt, es wird ein- bis zweimal im Jahr gemäht und das Mähgut wird (es soll ja mager bleiben!) abgeräumt. Die erste Mahd findet circa im Juni, die zweite ungefähr im September statt. Spätestens daran wird klar, dass die Blühwiese eine alte Kulturlandschaft ist, die sich abhängig von menschlicher Bewirtschaftung entwickelt hat.

Saatfläche in organischer Form
Vorbereitet hat diese Fläche ein Ausbildungsteam des Grünflächenamts, Abteilung Friedhöfe. Zwischen Bäumen, um den Gedenkstein und neben der Sitzmöglichkeit haben die Lehrlinge eine Einsaatfläche in organischer Form geschaffen, die der Neuanlage schon vor der Ansaat einen harmonischen Ausdruck verleiht.
Unterstützung bei der feierlichen Einsaat am 16. September bekommt das Grünflächenamt durch die Kinder und Jugendlichen der „Station 113“, des unmittelbar benachbarten Hasseer Jugendtreffs. Ein knappes Dutzend von ihnen bekommt Eimer mit der Saatgutmischung und eine Anleitung, wie aus dem Handgelenk heraus der richtige Schwung entsteht – „wie beim Hühnerfüttern“, kommentiert Leiter Jörg Breede und greift selbst ebenfalls in den Eimer.

Dazu Waffeln und Hip-Hop
Im und um den ehemaligen Hasseer Bahnhof in der Altenrade 2 zeigen sich die Jugendlichen als gute Gastgeber. Zum Kaffee gibt es aus dem Bus der mobilen Offenen Kinder- und Jugendarbeit heraus frisch gebackene Waffeln, auch vegane. Nebendran legt ein Kollege aus dem Jugendtreff Ellerbek Hip-Hop-Tracks auf.
So sind alle Anwesenden noch ein Weilchen beisammen, plauschen und sind sich einig: Kiel kann noch in mancherlei Hinsicht ordentlich wild aufblühen!

Text: Sellhoff