„Es gibt Menschen, die an Kultur glauben“

Ob es dieses Jahr Großveranstaltungen geben wird, ist ungewiss. Doch auf Hallig Langeneß soll wieder rund um den Schafstall ordentlich abgerockt werden.

2020 war sicherlich ein schwieriges Jahr für die Kulturbranche.

Durch Veranstaltungsverbote war von heute auf morgen eine ganze Branche ohne Einkommen und vor allem ohne kalkulierbare Perspektive. Sämtliche Projekte wurden rückabgewickelt, was Zeit und Nerven sowie leider auch viel Geld gekostet hat. Alle bereits verkauften Karten mussten wieder erstattet werden. Die vorangegangene Konzertplanung wurde Schritt für Schritt auf Null gefahren. Von jetzt auf gleich wurden zum Beispiel Bühnenbauer, Caterer, Technikverleiher, Hoteliers, Veranstalter und Personal sowie zu guter Letzt auch die Künstler beschäftigungslos. Was blieb, war die Hoffnung, dass der Betrieb irgendwie überlebt und schnelle Hilfen der Bundesregierung umgesetzt werden, was halbwegs gut funktionierte.

Halbwegs? Was hätte man besser machen können?

Wie so häufig, gab es unfassbar viel Bürokratie. Etliche Formulare, unübersichtliche Vorgaben und ständig neue Töpfe. Aber am meisten ärgerte uns, dass es auch Kulturschaffende gab, die nicht einmal an die Töpfe rangekommen sind. Da bin ich vielleicht ein gutes Beispiel. Zum Glück habe ich eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, welche mir das Überleben sichert, wenn nun auch bei 100 Prozent Kurzarbeit.

Zurück zum vergangenen Sommer. Ein Teil der Konzertreihe „Kultur auf den Halligen“ hat doch noch stattgefunden. Sicherlich mit viel Aufwand, oder?

Oh ja, das war in der Tat eine spezielle Herausforderung. Es wurde von uns allen eine unfassbar große Flexibilität abverlangt. Immer wieder musste auf neue Vorgaben seitens der Politik reagiert werden.
Es galt, die verbliebenen sieben Veranstaltungen sicher durchzuführen. Teilweise mussten wir Konzerte aus dem Mai in den Spätsommer verlegen. Am Ende gab es die Erlaubnis, dass Konzerte mit Open-Air-Charakter mit bis zu 500 Personen bestuhlt stattfinden durften. Vorausgesetzt, man hatte ein umfassendes Hygiene- und Sicherheitskonzept.

Was ist in einem solchen Konzept zu erarbeiten und praktisch umzusetzen?

Wie überall im öffentlichen Leben gilt auch hier die AHA-Regel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske). Ein solches Konzept und die daraus resultierenden Maßnahmen erfordern Wachsamkeit, Umsichtigkeit und ein dickes Portemonnaie. Denn all diese Maßnahmen sind mit enormen Zusatzkosten verbunden. Sicherheit kostet Geld, aber sie ist es wert! Wir haben zum Beispiel Desinfektionsstationen aufgebaut, Sicherheitspersonal aufgestockt, Infektionskettenachweise erhoben. Zudem mussten hunderte Stühle auf die Hallig befördert werden.
Zu guter Letzt haben wir das Veranstaltungsareal vergrößert. Die Natur ist in dieser schwierigen Zeit unser größter Verbündeter. Viel Raum und viel frische Luft inmitten der Nordsee sowie eine komplett geöffnete Schafstallwand erzeugten Open-Air-Charakter, dem es die Aerosole nicht möglich machten, sich zu verteilen.

Wie haben die Zuschauer reagiert?

Das Feedback der Gäste war nahezu großartig. Ich hatte das Gefühl, dass alle dankbar waren. Es überwog das Empfinden, an einem Ort zu sein, an dem die Welt noch in Ordnung schien. Corona hatte in den Köpfen der Gäste für einen Tag mal Pause. Sonne, Meer, ein herzhaftes Grillbuffet sowie gut gelaunte Menschen und vor allem Livemusik, das war es, worauf es an diesem Tag ankam.

Wie haben sich die Musiker auf diese Situation eingestellt?

Gab es besondere Begegnungen? Besonders war sicherlich die Tatsache, dass so lautstarke Kapellen wie Torfrock oder die Heavy-Mädels Thundermother vor einem sitzenden Publikum gerockt haben. Headbangen und Pommesgabel zelebrieren vom Stuhl aus, das gab es wohl so auch noch nicht.
Die Künstler waren alle großartig. Für die meisten war es der erste und gleichzeitig auch letzte Auftritt in 2020. Aber für einen Tag hatten auch die Künstler das Gefühl, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
Natürlich waren Selfies und Umarmungen an diesen Konzerttagen tabu, aber dennoch haben es sich die Künstler nicht nehmen lassen, sich auf Abstand mit ihren Gästen zu unterhalten. Es war auch während der Konzerte stets eine warme Atmosphäre zwischen Künstlern und Publikum.

Wie sieht es aktuell aus? Geht es 2021 mit dieser KULTtour weiter?

Das vergangene Jahr hat uns bestärkt. Wir haben unsere Erfahrungen gemacht und wir wissen, wo wir optimieren können. Ich glaube und hoffe inständig, dass der Sommer 2021 nicht schlimmer wird als der vorangegangene Sommer. Das macht Mut für die nächste Saison.
Wir haben unsere Planungen für die Saison 2021 abgeschlossen. Somit steht unser Jahresprogramm. Mehr als vierhundert Tickets wurden bereits für die kommende Spielzeit abgesetzt. Das zeigt uns ganz klar, dass es Menschen gibt, die an uns und die Kultur glauben.
Wir werden weiterhin transparent mit unseren Gästen kommunizieren. Die vertraute Kommunikation über Facebook wird fortgeführt. Wir haben zudem auf unserer Website www.kulturaufdenhalligen.com alle Termine veröffentlicht.
Sollte es zur Absage eines Konzertes kommen, dann gibt es bei uns eine Geld-zurück-Garantie. Gutscheinlösung hin oder her, dieses Modell wird von uns nicht abgefordert. Wenn uns aber jemand unterstützen möchte, dann sind wir natürlich dankbar.

Foto: ©Frahm