„Hektik hat noch nie zum Erfolg geführt“

Uwe Stöver im Flur der Geschäftsstelle - Tradtion trifft Moderne Foto: Manuel Puderbach

Uwe Stöver steht KIEL LOKAL in einem halbstündigen Interview Rede und Antwort

In der Geschäftsstelle von Holstein Kiel laden die in Hassee wohnende Pressesprecherin Maren Schneider und der Geschäftsführer Sport zum Gespräch ein. Der lebensfrohe gebürtige Wuppertaler gewährt Einblicke in seine Arbeitswelt, spricht über die Entwicklung des Vereins und über die Zukunft.

Fußballheimat Wuppertal
Seine Fußballschuhe schnürte der fußballbegeisterte Sportsmann bei Germania 07 Wuppertal. In der Bewertung seiner Person tut er sich „grundsätzlich schwer und überlasse dies lieber anderen“.

Angebot als NLZ-Leiter
Wann wusste Uwe Stöver, dass er nicht als Trainer arbeiten möchte? „Ich stand ja irgendwann vor der Entscheidung, entweder das Trainerdasein fortzusetzen oder in den administrativen, organisatorischen Bereich zu wechseln.“ Da entschied er sich für das Letztere. 2003 war er noch Trainer der zweiten Mannschaft beim 1. FC Kaiserslautern. Er nahm das Angebot an, die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) zu übernehmen.

Kein ‚hire and fire‘
Welchen Impuls verspürte er für diesen Weg? „Ich glaube, weil es mich gereizt hat, die Dinge mittel- bis langfristig angehen zu können, etwas langfristig zu planen und umzusetzen“, erklärt er. „Der Druck ist auf dem Trainerposten besonders durch die mediale Berichterstattung stetig gewachsen. Transfers und Gehälter erreichen exorbitante Dimensionen. Als Trainer war es schon Anfang der 2000er-Jahre sehr
schnelllebig. Wenn du aber die Möglichkeit bekamst, im NLZ etwas aufzubauen, dann stand die Arbeit damals noch nicht unter dem Motto hire and fire“, sagt der 56-Jährige.

Langfristige Ziele
Holstein Kiel geht in das verflixte siebte Jahr in der zweiten Bundesliga. „Es ist sicherlich so, dass wir uns auch heute noch weiter in der Liga etablieren und professionalisieren wollen. Die Infrastruktur rund um das Stadion und das Trainingsgelände sind dabei wichtige Themen“, gewährt Stöver einen Einblick in die langfristigen Planungen.
Bei der KSV ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit seinen Geschäftsführer-Kollegen Wolfgang Schwenke und Steffen Schneekloth in allen Bereichen die Basis für den Erfolg. So wurde beispielsweise das diesjährige Trikot „im engen Austausch“ entworfen und umgesetzt.

Foto: Manuel Puderbach

Immer noch in der Entwicklung
„Wenn ich jetzt mal den ersten Zeitraum von 2016, als ich hier bereits tätig war, bis zum heutigen Tage Revue passieren lasse, ist sehr viel in allen Bereichen passiert – sportlich, infrastrukturell und wirtschaftlich“, blickt er zurück. „Wir befinden uns immer noch in der Entwicklung, und das darf man nicht vergessen“, mahnt er zur Bescheidenheit. „Wir wissen genau, mit welcher wirtschaftlichen Konkurrenz wir es zu tun haben. Und dann muss man schon sagen, dass Holstein richtig große Schritte gemacht hat“, gibt er klar zu verstehen.

Einen Ruck auslösen
In vielen Bereichen des Lebens ist Kontinuität ein Faktor für Erfolg. „Mir ist es grundsätzlich wichtig, an kleinen Stellschrauben zu drehen. Aber manchmal ist man an einem Punkt, an dem auch größere Veränderungen notwendig sind“, lässt Stöver tief blicken und erklärt damit den Umbruch in dieser Transferperiode. „Wir brauchten einen neuen Ansatz, eine neue Hierarchie, um einen entsprechenden Ruck auszulösen. An dem Punkt waren wir jetzt“, sagt er. „Auf der anderen Seite haben wir in diesem Sommer im gesamten Trainer- und Funktionsteam gar keine Fluktuation.“

Scoutingabteilung erweitert
Als er als Geschäftsführer Sport anfing, gab es in der Scoutingabteilung lediglich einen hauptamtlichen und einen geringfügig beschäftigten Mitarbeiter. „Damals haben wir sehr schnell einen Prozess eingeleitet“, verrät er. Einmal hat die KSV sich stark professionalisiert, was die „Hard- und Software“ anbetrifft. Heute arbeiten zwei hauptamtliche Scouts und neun geringfügig Beschäftigte. „Damit können wir einen viel größeren Markt abdecken und eben solche internationalen Transfers wie in diesem Jahr“, verrät Stöver.

Schlagkräftiges Team
Wie schafft es Holstein Kiel Jahr für Jahr, ein schlagkräftiges Team zu formen? „Ruhe bewahren“, sagt Stöver gelassen und verrät, dass er sich zu Beginn seiner Laufbahn als sportlich Verantwortlicher noch hat beeinflussen lassen. „Hektik und Nervosität in diesem Geschäft haben noch nie zum Erfolg geführt! Ich kann mit den äußeren Einflüssen ganz gut umgehen. Beim Verlassen des Büros schaffe ich es, entsprechend runterzufahren – geistig und mental“, erklärt er besonnen. Dazu hat er eine eigene „Disziplin“ entwickelt. Der Unterstützung seiner Frau kann er sich gewiss sein.

Beharrlichkeit zahlt sich aus
Wie stehen die Chancen für die Eigengewächse, den Sprung zu schaffen? „Es sind Talente mit Perspektive, hier Fuß zu fassen. Auf dem Weg gibt es viele Einflüsse, die ein Voranschreiten positiv oder aber auch negativ beeinflussen“, erzählt der Fußballkenner und führt fort, dass „Talent allein nicht ausreicht“.
Marko Ivezic ist trotz seines jungen Alters (21) als Spieler mit der „richtigen Einstellung, nötigen Akribie und einer Menge Fleiß“ ausgestattet. Bei der KSV will der serbische Nationalspieler unbedingt „den nächsten Schritt“ machen.
Die Verpflichtung des japanischen Stürmers Shuto Machino kam aufgrund von Holsteins „Beharrlichkeit“ zustande, wie Stöver preisgibt. Den ersten Kontakt gab es bereits im Spätsommer 2022.

Elitäre zweite Liga
In den letzten Jahren ist die zweite Bundesliga beständig gut geblieben. Jetzt gesellen sich weitere Traditionsvereine wie Hertha BSC und Schalke 04 dazu. „Mittlerweile ist die Liga ein elitärer Kreis mit einem wahnsinnigen Zuschaueraufkommen. Mehr als zwei Drittel sind mit einer Bundesliga-Historie versehen“, ist sich Stöver der neuen Herausforderung bewusst. Zu Saisonbeginn erhofft er sich einen guten Start. „Das kann schon mal richtig Aufschwung erzeugen“, erinnert er sich noch gut an die Saison 2020/2021.

Die U23 mit Dr. Alexandra Hildebrandt, Stephan Stahl, Sebastian Gunkel, Sven Boy und Jarmain Ozuzu kann sich in der Regionalliga halten.Foto: Holstein Kiel

Dank an den Nachwuchsbereich
Ob er sich einen Pokalsieg mit Holstein vorstellen kann? „Es ist einfacher, mit einem Zweitligisten in die erste Liga aufzusteigen, als Pokalsieger zu werden“, so der Sportdirektor. „Träumen ist grundsätzlich immer erlaubt. Ich muss aber in meinem Job sachlich und analytisch bleiben“, formuliert er realistisch.
Die Leistungen im Nachwuchsbereich erfreuen ihn. Sein Dank gilt Dominic Peitz und dem ganzen Mitarbeiterstab, die es trotz vieler Abgänge von Leistungsträgern unter anderem geschafft haben, die U23 in der Regionalliga halten zu können.
Abschließend posiert Stöver vor historischen Fotoaufnahmen im Flur der Geschäftsstelle. „Bilder von mir an meinem Schreibtisch gibt es schon genug“, so der lebenslustige Mensch lachend, der die Tradition von Holstein Kiel fest im Kopf und die Zukunft klar vor Augen hat.MP