Von Hunden, die Menschen aufspüren und retten

Fotos: Jens Uwe Mollenhauer

Ein grauer Samstagmittag im Stadtteil Hammer. Auf der ehemaligen Reitkoppel Wiepenkrog sind zwei Partyzelte aufgebaut.

Acht Vereinsmitglieder und ein paar Hunde mehr stehen erwartungsvoll in der Kälte. Sie haben sich mit dem KIEL LOKAL-Reporter verabredet. Es soll eine kleine Leistungsschau geben – von dem erst jüngst in den Kieler Süden gezogenen Verein Fördeschnuten e.V.
Das Thermometer zeigt unter null an. Der kleinste Hund lässt sich als einziger zitternd und zähneklappernd anmerken, dass die Zeit für Bewegung gekommen ist.
Gerald Merke ist Vorsitzender des Vereins, der sich als Rettungshundesport-Verein versteht. Er ist Hundeausbilder und als solcher trainiert er die Hunde und auch die Personen am anderen Ende der Leine. Nach einem kurzen Einführungsgespräch geht es für die Hunde endlich los.

Warmwerden im Schnee
Als Aufwärmübung werden den Hunden verschiedene – für Hunde schwierige – Dinge abverlangt. Ruhig bleiben in jeder Lebenslage ist die wichtigste Fähigkeit, die ein Rettungssporthund verinnerlicht haben muss. Folgsamkeit sowieso. Ein Hund muss es schaffen, dicht an einem oder mehreren anderen Hunden vorbeizugehen und dabei keine Miene zu verziehen – idealerweise funktioniert das sogar ohne Leine.
Dazu kommen diverse „Skills“, z. B. sicheres Bewegen durch unwegsames Gelände und über unsicheren Untergrund. Hierfür haben die Vereinsmitglieder eine Reihe von Geräten aufgebaut. Damit immer wieder neue Situationen für die Tiere entstehen, brauchen die Sporthundeführer ein großes Maß an Fantasie und Erfindungsgeist. Zu jedem Trainingstag gibt es neue Geräte und neue Herausforderungen.
Heute wird der Schwebebalken eingeweiht. Was für uns Menschen ein lustiger Spaß ist, bedeutet für Hunde zunächst ein nahezu unüberwindliches Hindernis. Das Brett wippt in alle Richtungen. Erst nach ausdauerndem Training bekommt es ein Hund bewältigt, auf dem Schwebebalken souverän entlangzuschreiten.
Vor ähnliche Probleme sehen sich Hunde gestellt, wenn sie über eine schwebende Leiter balancieren sollen. Aber auch ein Bällebad oder ein Haufen Plastikmüll stellen die Vierbeiner vor enorme Schwierigkeiten, die durch Training ihren Schrecken verlieren. Auch ein Tunnel ohne sichtbaren Ausgang stellt fast jeden untrainierten Hund zunächst vor große Probleme.

Mehrjährige Ausbildung zum Rettungshund
Für eine Ausbildung zum Rettungshund kommt prinzipiell jeder Hund infrage. Gerald Merke legt Wert auf die Feststellung, dass keine Hunderasse besonders geeignet oder ungeeignet wäre. Überraschenderweise kommen hier auch ganz kleine Hunde groß heraus. Es kommt schließlich mehr auf die Supernase und die Folgsamkeit an und weniger auf die Kraft. Ein kleiner Hund kann in unübersichtlichem Gelände sogar noch flexibler vorankommen als ein großes Tier.
Das Folgsamkeitstraining kann übrigens allen empfohlen werden, die einen Hund besitzen und mit diesem angemessenes Sozialverhalten einüben wollen. Dafür ist genügend Zeit. Bis aus einem untrainierten Hund ein Rettungshund geworden ist, vergehen rund drei Jahre.
Zwischen Rettungshunden und Rettungssporthunden gibt es im Grunde genommen keinen wesentlichen Unterschied. Die Ausbildung ist dieselbe, nur die Sporthunde und ihre Besitzer dürften in den seltensten Fällen in eine echte Rettungssituation kommen.
Speziell im Rettungssport ausgebildete Teams können durchaus in den professionellen Dienst wechseln und beim Technischen Hilfswerk THW, bei Feuerwehr oder Rettungsschwimmern wertvolle Arbeit leisten. Genauso gut können ehemalige Mitglieder von Rettungstrupps mit ihren Hunden in den Verein kommen, wenn die eigene Fitness oder die des Hundes nachgelassen hat.
Das Stellen von flüchtenden Personen samt herzhaftem Zubeißen wird mit den Tieren hier nicht trainiert. Vor diesen Hunden muss niemand Angst haben. Das beweist auch Rettungsdummy Ludgerine. Nur ganz vorsichtig beißen die Hunde in den Arm, gerade so, dass sie die zu rettende Person durchs Wasser ziehen können. Ludgerine hat davon auch nach jahrelangem Einsatz nur ganz leichte Bissspuren.

Rettungshund im Einsatz
Gerald Merke demonstriert eine Personensuche mit seinem fertig ausgebildeten Rettungshund Quaiser. Der Hund lässt sich geduldig ein Geschirr anlegen, dann gibt Merke dem Tier eine Richtung vor. Der Hund saust los und hat schon nach wenigen Sekunden das Vereinsmitglied Thomas aufgespürt, das in gehöriger Entfernung hinter einem Busch kauert. Quaiser nimmt einen zu diesem Zweck mitgeführten Signalkörper ins Maul – als Zeichen erfolgreicher Suche und kehrt damit zurück. Anschließend zeigt der Hund seinem Hundeführer die Auffindeposition. Und das Ganze verläuft nahezu geräuschlos.
„Der Hund kann beurteilen, ob eine aufgefundene Person hilfsbedürftig ist oder nicht. Eine stehende Person wird vom Hund ignoriert“, erklärt Merke. In der höchsten Prüfungsstufe muss es ein Hund innerhalb einer halben
Stunde schaffen, drei Personen in einem Gelände von der Größe von mehr als sechs Fußballfeldern aufzuspüren.

Neues Vereinsgelände in Hammer
Die Fördeschnuten haben im November 2022 die rund 25.000 m² große Pferdekoppel Wiepenkrog an der Ecke Tannenholz / Clasenhörn von der Stadt Kiel gepachtet und freuen sich über die hervorragende Eignung des Geländes. Es gibt nicht nur weitläufige Freiflächen mit einem „natürlichen“ Untergrund, sondern auch Bäume und Büsche sowie ein größeres Areal mit viel Gestrüpp in naturbelassenem Zustand, ideal geeignet, um mit Hunden das Aufspüren von Hilfsbedürftigen zu trainieren.
Auch wenn eine Beeinträchtigung der Umgebung durch die Hunde nicht zu erwarten ist, streben die Vereinsmitglieder an, im Frühjahr das Gelände einzuzäunen, damit nicht doch mal ein Tier im Eifer des Trainings auf die Straße läuft. „Erste Kontakte mit den Nachbarn verliefen sehr positiv“, so Gerald Merke.
„Wir fühlen uns hier willkommen“, erzählt der Vorsitzende. „Aber wir sind nicht auf unser Gelände beschränkt“, so Merke. „Von der Stadt und von Privatfirmen bekommen wir Gelände verschiedener Größe zur Verfügung gestellt, auf denen wir auch sehr große Such- und Rettungsaktionen üben können.“

Wasserarbeit wird trainiert
In den Sommermonaten bietet der Verein außerdem Training in der Wasserarbeit an. Dazu holen sich die Fördeschnuten die Genehmigungen, ihre Hunde an öffentlichen oder privaten Gewässern zu Wasser zu lassen. Die Fördeschnuten lernen, Gegenstände und Menschen zu bergen, Personen im Rettungsring oder auf einem Surfbrett liegend an Land oder zu einem Boot zu ziehen.
Dieses Training ist einigen Hunden schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie auch an Land und im Schnee mit Rettungsring herumlaufend gesichtet wurden.
Natürlich ist es für die Tiere ein hartes Training und es fällt sichtlich nicht jedem Hund leicht, bei den vielen Eindrücken und den zahlreichen anderen Hunden die Contenance zu wahren. An den Hindernissen versuchen es manche Tiere zunächst auch mit einer Ausweichstrategie, was Frauchen oder Herrchen natürlich nicht durchgehen lassen. In Prüfungen muss das schließlich auch alles klappen. Im Training hingegen bringt immer wieder ein Leckerchen den gewünschten Erfolg. Und welcher Hund ist schon unbestechlich?

Die Trainingstage in der Woche
Die Fördeschnuten sind ein eingetragener Verein mit allem, was dazugehört, von Vorstandswahlen, Satzung bis Vereinsleben und gemeinsamer Freizeit. „Als Nächstes streben wir die Gemeinnützigkeit an“, meint Merke, „aber das sind nur noch Formalitäten.“ Mit derzeit 24 freundlichen Mitgliedern und rund 30 ebenso freundlichen Hunden ist der Verein noch eher klein. Aber Merke ist der Ansicht, dass es durchaus ein paar mehr werden sollten.

Vereinsleben mit Hund
Selbstverständlich wird in diesem Verein auch nicht alles tierisch ernst genommen. Nach gut einer Stunde Schautraining im Frost wird klar, wozu die Partyzelte auf dem Gelände stehen. Auf die durchgefrorenen Teilnehmer warten Kaffee, Glühwein, Kuchen und Klönschnack.
Die Fördeschnuten treffen sich bei jedem Wetter mindestens dreimal pro Woche auf dem neuen Vereinsgelände auf der Koppel Wiepenkrog (Ecke Tannenholz / Clasenhörn in Hammer): Montags ab 17 Uhr, mittwochs ab 18.30 Uhr, donnerstags ab 17 Uhr und am Wochenende nach Absprache.
Wer mehr wissen möchte, wende sich an den ersten Vorsitzenden Gerald Merke, Telefon 0160 / 2475797 oder per Mail: a.rotteraddiespruehkoepfe.de. Eine eigene Webseite ist geplant. JM