„Wir brauchen die Nähe zum Publikum“

Ein trüber Mittwochabend im Winter. Schneeregen fällt. Wir treffen uns auf dem Gewerbehof im Holzkoppelweg. Dennis Büchler schließt die Metalltür der ehemaligen Gewerbehalle auf und bittet hinein.

Normalerweise trifft sich Dennis mittwochs immer mit der ganzen Band im Proberaum. Doch das ist seit fast einem Jahr weggefallen. Nun ist er meist allein in der mit Instrumenten vollgestellten Halle und holt seinen Kontrabass raus. „Corona hat uns Zeit zum Reflektieren gegeben“, sinniert Dennis. „Positiv ist, dass jeder mehr Zeit für sich hat, andere Sachen auszuprobieren und das musikalische Spektrum zu erweitern. Wir entschleunigen. Es ist nicht alles negativ.“ Einige seiner Kollegen haben sich auf die Familie konzentriert oder damit angefangen, ein Soloprogramm zu erstellen. Ein Gitarrist ist allerdings bei The Coast Guards ausgestiegen.
Wehmut klingt durch, wenn Dennis sagt: „2020 wäre eigentlich unser Jahr gewesen. Wir hatten einen vollen Terminkalender, Festivals bis nach Österreich. So haben wir nur zwei oder drei Auftritte gemacht. Dann folgte eine Absage der nächsten.“ Fast schon sehnsüchtig blickt der Bassist auf vergangene Konzerte zurück. „Wir sprechen jetzt schon von den guten alten Zeiten“, lächelt er versonnen. Einen der ersten Gigs hatten The Coast Guards 2013 auf dem Straßenfest in Russee. Organisiert hatte das Sven Zimmermann von der Rockschule Russee, wo Dennis zwei Jahre lang Bassspielen erlernt hatte.
Es folgten unzählige Auftritte in Clubs, aber auch auf der Kieler Woche, beim Hamburger Hafengeburtstag und bei der Johnny Cash-Tribute-Night auf der Krusenkoppel. „Größtes Highlight war das Werner Rennen 2019, als wir uns die Bühne mit so vielen großen Künstlern geteilt haben“, schwärmt er. „Wir versuchen, jeden Gig zu einem Highlight zu machen. Wir sind eine Liveband und wollen Spaß haben. Die Bühne ist unser Piratenschiff. Wir brauchen die Nähe zum Publikum. Deswegen ist es so schwierig für uns, unter Corona weiter zu machen.“ Konzertanfragen für 2021 gibt es bereits, doch die Band plant derzeit noch gar nichts.
Finanziell sind die Ausfälle verkraftbar. Die Coast Guards machen alle nebenberuflich Musik. „Existenzsorgen haben wir nicht“, versichert Dennis. „Um die Kollegen, die davon leben, sorge ich mich viel mehr.“
Während viele andere Bands die Zeit des Lockdowns dazu nutzen, neue Songs zu schreiben oder Videos zu produzieren, gehen sie es als Liveband ruhiger an. Sie haben sich auch bewusst dazu entschieden, keine Konzerte unter Corona zu geben. Stattdessen haben sie angefangen, neue Coversongs einzu-üben, jeder Musiker für sich. Und so steht Dennis diesen Abend allein im Proberaum und zupft seinen Kontrabass.

Text: Frahm;Foto: ©Frahm