
Kommentar von Jens Uwe Mollenhauer zur 365. Sitzung des Ortsbeirates Hassee/Vieburg
Der Ortsbeirat Hassee/Vieburg tagte am 18. März 2025 bei der Stiftung Drachensee. Eine Premiere, dass auch Gebärdendolmetscherinnen mit von der Partie waren. Die Sensibilität für Barrierefreiheit kommt voran.

Erstes Thema war wieder die Mobilität. Stadträtin Alke Elisabeth Voß besuchte den Ortsbeirat und stellte ihre Tätigkeit und Agenda vor. Eine Reihe wichtiger Zukunftsthemen fallen in ihr Ressort, und so holte sie zum großen Rundumschlag aus.
Alles beginnt beim Fußgängerverkehr, denn wir alle sind nun mal die meiste Zeit zu Fuß unterwegs. Bisher galt es als selbstverständlich und wurde nicht weiter hinterfragt, dass das Auto den mit großem Abstand breitesten Raum im Stadtgebiet einnimmt. Das Ergebnis sind flächendeckend zugeparkte schmale Gehwege neben überbreiten Fahrbahnen.
Wenn Kinderwagen und Rollstühle nicht mehr aneinander vorbeikommen, wenn ein altes Ehepaar sich nicht mehr gegenseitig stützen kann, wenn es nur im Gänsemarsch vorangeht, dann ist die Aufenthaltsqualität im Quartier dahin.
Längst ist der Stadtverwaltung klar geworden, dass nicht eine einzelne Gruppe ihr Mobilitätsproblem auf alle anderen abwälzen kann. In Zukunft wird erwartet, dass die Autonutzung etwas nachlässt, deswegen aber noch lange nicht weniger Autos da sein werden – sie stehen nur länger herum. Aktuell sind Autos zu 6 % Fahrzeuge und zu 94 % Stehzeuge, mit steigender Tendenz.
Die Stadt Kiel will Raum schaffen für alle, vor allem sollen die Räume gerechter verteilt werden. Gehwege sollen deutlich breiter werden, die Parker sollen runter. Eine schwierige Aufgabe! Quartierparkhäuser könnten etwas Luft verschaffen. Dann steht das Auto aber möglicherweise nicht mehr vor der eigenen Haustür, und die genutzte Fläche wird auch nicht mehr allein von der Allgemeinheit bezahlt.
Die Stadtbahn soll kommen, die Finanzierung ist geklärt – wenn alles gut geht. Bis 2035 soll der Anteil der ÖPNV-Nutzung von 11 % auf 17 % gesteigert werden. Davon geht die Kosten-Nutzen-Analyse der Stadtbahn-Planung aus.
Diese Zahlen sind möglicherweise etwas zu sportlich, hat doch das vergangene Jahr sogar eine Abnahme gebracht. Ursache ist das verschlechterte Angebot durch Personalmangel. In der Hamburger Chaussee verschwanden 2023 gleich zwei wichtige Buslinien.
Auch andere Konkurrenten treten auf den Plan: Die Elektromobilität im Radverkehr und der Anteil an E-Lastenrädern hat rasant zugenommen. Wozu auf den Bus warten, wenn ich meine Füße nur in die Pedale fallen lassen muss, und schon saust mein E-Bike dahin – und zwar viel schneller als der Bus.
Ohnehin steht jede Neuerung unter dem Vorbehalt der Personalverfügbarkeit. Immerhin: Eine Stadtbahn hat Platz für 375 Passagiere, ein Bus nur für 100. Jeder Student darf auch ohne Führerschein nach kurzer Eingewöhnung eine Stadtbahn fahren. Busfahrer zu werden, ist deutlich kostspieliger. Und noch teurer wird es mit dem Kapitänspatent für die Schiffsführer der Fördeschifffahrt. Da kommt die Idee von den autonomen Fähren gerade recht. Sie sollen einst ganz ohne Personal unterwegs sein. Auch für Busse und Stadtbahnen wird die führerlose Variante bereits mitgedacht und herbeigehofft. Doch die Zeit ist noch nicht reif.
Auch die drei vorgesehenen und langersehnten Stellplätze der SprottenFlotte im Kieler Süden werden wohl eher Verkehre vom ÖPNV abziehen. Als Standorte sind Pestalozzistraße, Helgolandstraße und Hornheimer Weg vorgesehen.
Jenseits der Mobilität sieht sich die Stadträtin mit weiteren anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert. Der Klimawandel kommt, auch wenn er von Wissenschaftsleugnern negiert wird. Versicherungen haben ihn längst eingepreist. Auch die Stadt Kiel kommt nicht umhin, sich den zu erwartenden Folgen anzupassen. Kiel ist „wassersensibel“. Das Wasser kommt von allen Seiten. Von oben drohen Starkregenereignisse. Dies macht zügiges Handeln erforderlich, zum einen im Küstenschutz, zum anderen beim Rückbau der Bodenversiegelung. Der Moorsee (seit Langem verlandet und trockengelegt) soll nun wieder Wasserspeicher werden. Hier ist die Wiedervernässung geplant.
Überhaupt wird das Thema Klima und Umwelt in Zukunft in Kiel höher gehängt. Stadtverwaltung und Verbände sollen an einen Tisch gebracht werden. So soll möglichst bald ein „Umwelt- und Naturschutzforum“ aus der Taufe gehoben werden.
Kommunale Wärmeplanung
Beim Thema Kommunale Wärmeplanung ging Projektleiterin Meike Becker ins Detail. Bei manchen Hauseigentümern keimte bereits Hoffnung auf, sie müssten sich nur an das Fernwärmenetz anschließen lassen, und schon ließe sich bequem das Problem der Energiewende auf den Netzbetreiber auslagern. Doch so einfach ist es nicht. Schicke Karten weisen große Fernwärme-Potenziale im Kieler Süden aus. Bevor es aber losgeht, können mancherorts noch bis zu zwölf Jahre vergehen.
Einmal mehr gilt: Begrenzender Faktor ist mal wieder der Mangel an Personal. Bis es so weit ist, hat sich wahrscheinlich so mancher alter Heizkessel von selbst verabschiedet. Da ist es sehr fraglich, ob die Betroffenen noch Jahre warten können auf eine Entscheidung, die auch lauten kann, dass keine Fernwärme kommt, weil es zu wenige Interessenten unter den Nachbarn gibt. Denn es existieren alternative Energieversorgungen. Voraussichtlich wird die Luft-Wärmepumpe dank Massenproduktion und fallender Preise allen anderen Optionen den Rang ablaufen.
Hausbesitzer schaffen Fakten, bevor die Fernwärme in Fahrt kommt. Ohnehin sind hier die wenigsten Hindernisse zu erwarten. Diskussionsbedarf könnte bei denkmalgeschützten Objekten oder bei sehr enger Bebauung entstehen.
Kostenlose Beratungen
In jedem Falle lohnt es sich, die Beratungsangebote der Stadt in Anspruch zu nehmen. Bei Bedarf schaut sich jemand die Lage vor Ort an – und das alles kostenlos! Infos hierzu gibt es unter kiel.de/waermeplanung. Wer betroffen ist, kann sich hier zur „Sprechstunde Kieler Wärmeplanung“ anmelden.
Die nächste Sitzung des Ortsbeirates findet am 20. Mai um 19.30 Uhr in der Theodor-Heuss-Schule, Rendsburger Landstraße 127 d, statt. JM