Begabungen brauchen Raum und Spaß

Gleich, ob Ihr Vierjähriger begeistert zur Musik schwooft und wippt oder Ihre Neunjährige beeindruckende Zeichnungen aufs Papier bringt: Ohne Freiheit und Leichtigkeit droht den Vorlieben die Freude abhandenzukommen. Pädagogen raten deshalb zur elterlichen Entspannung auch in der Talentförderung.

Jedes Kind hat andere Potentiale. Mal sieht der wohlwollende Blick besondere sportliche oder musikalische Fähigkeiten, mal liegt die individuelle Begabung beispielsweise im handwerklichen oder sprachlichen Bereich.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass sowohl die genetische Veranlagung als auch die Lebensbedingungen eine Rolle dabei spielen, worin und in welchem Maße Kinder begabt sind. Dabei entdecken Kinder häufig die Bereiche zuerst, die in der Familie eine große Rolle spielen. Wenn ein Klavier in der Wohnung steht, reizt das dazu, auch einmal auf die Tasten zu drücken. Wenn die Mutter sich zum Malen hinsetzt, gesellen sich die Kinder gerne dazu, um Pinsel und Farben auszuprobieren.

Doch nicht immer bleibt es bei den ursprünglichen Vorlieben. Pädagogen stellen fest, dass Interessen von Kleinkindern noch großen Schwankungen unterworfen sind. Sie warnen davor, dass Eltern ihren Nachwuchs zu früh auf einen Bereich festlegen. Begeistert sich der Zweijährige intensiv für Autos, kann sich dieses Interesse nach einem Jahr auch schon wieder vollständig verloren haben. Etwas anders sehe es mit „individuellen Fähigkeiten“ aus. Ein bewegungsfreudiges Kind bleibt dies meist auch, hat man festgestellt.

Pädagogen kritisieren, dass etliche Eltern heute überbemüht sind, die Talente ihrer Kinder zu fördern. Wenn Kinder fast jeden Tag in der Woche festen Nachmittagsbeschäftigungen nachgehen, bleiben leicht freie Entfaltungsmöglichkeiten und Spontaneität auf der Strecke. Die Vorliebe wird zur Pflicht.

Überhaupt geht es zunächst vor allem um das Ausprobieren und die Freude an den Tätigkeiten. Zeigt Ihr Kind Talente im sportlichen Bereich, so raten Sportpsychologen dazu, mit zwei- bis drei „Schnupper-Terminen“ anzufangen. Beobachten Sie, wie sich Ihr Kind verhält – macht es begeistert mit oder steht es eher am Rand? Sie sollten dann das Kind entscheiden lassen, ob es bei dem Angebot weiter mitmachen möchte.

Dabei sind Fragen wichtig wie: „Gefällt Dir die Sportgruppe?“ „Hast Du einen Freund in der Gruppe?“ „Magst Du die Übungsleiterin oder den Übungsleiter?“ Dann können Kind und Eltern gemeinsam vereinbaren, dass das Kind beispielsweise sechs Monate dabeibleibt, bevor dann erneut entschieden wird.

Ebenfalls zu beachten: Das Sportangebot muss auch in den Alltag der Familie integrierbar sein. Die Trainingszeiten, der Ort und mögliche Wettkampfzeiten müssen passen. Problematisch ist in vielen Fällen der Ehrgeiz der Eltern. Hilfreich ist hier die Richtlinie: „Man sollte mehr fördern als fordern.“

Kinder, die Spaß an Musik haben, können schon im Kindergarten-alter an einer musikalischen Früherziehung und darauf aufbauend einer musikalischen Grundausbildung teilnehmen. Die Kurse werden in öffentlichen oder privaten Musikschulen angeboten. In weiteren Kursen gibt es die Möglichkeit, unterschiedliche Instrumente auszuprobieren und seinen Favoriten zu finden.

Ebenfalls ohne Vorkenntnisse beginnt das Ausprobieren in der Kieler Musicalschule. „Stage UP!“ heißt das Angebot, bei dem das komplette Repertoire des Musicals geübt wird – von der Improvisation über Pantomime bis hin zu Tanz, Schauspiel und Gesang. Jeden Samstag von 10–13 Uhr öffnet sich die Probebühne für die Nachwuchs-Darsteller ab vier Jahren, dann ist auch hereinschauen und testen möglich.

Ob Musik oder Sport, fest steht in jedem Fall: Wollen Eltern ihren Kindern beste Chancen zur Entwicklung bieten, sollten sie auf ihr Bauchgefühl vertrauen, ihre Kinder beobachten und mit ihnen sprechen. Dann eröffnen sie lustvolle Möglichkeitsräume statt anstrengender Pflichtübungen.

(Foto: ©Schepmann)