Ein Schrank voller Überraschungen

Schenkeschrank Michaelis
Foto: Jakob Malzahn

Neuer ‚Schenkschrank‘ bei der Michaelis-Kirchengemeinde

„Geb ich, was ich hab, nicht weiter/ Kann es mir doch nicht gefallen.“ Das wusste schon der Dichter Bertolt Brecht. In diesem Sinne: Teil zwei unserer Serie über die Verschenke-Schränke im Stadtteil. Diesmal der ‚Schenkschrank‘ bei der Michaelis-Kirchengemeinde.

Bücherschränke stehen in nahezu jedem Stadtteil und jedem Dorf. Verschenke-Schränke mit einem breiteren „Sortiment“ sind jedoch bislang seltener anzutreffen. Bei der Michaelis-Gemeinde steht nun seit einiger Zeit ein solcher ‚Schenkschrank‘. Ich mache mich auf den Weg dorthin und stelle ein paar Fragen an die Zuständige für den Schrank: Nadine Schmitz, die Hausmeisterin für Kirche und Kita bei der Michaelis-Kirchengemeinde.
Zum vereinbarten Treffen komme ich etwas zu früh und werde sogleich Zeuge von der Beliebtheit des ‚Schenkschranks‘. Innerhalb von fünf Minuten wird er von gleich zwei Personen aufgesucht. Zu Recht ist die Nachfrage so hoch, denn Sie finden tatsächlich eine illustre Auswahl an Dingen vor.

Vorläufer an Schleswiger Straße
Von Weitem sehe ich bereits Nadine Schmitz, die mich wenig später bereitwillig mit Informationen über ihr Projekt versorgt. Die Initiative zur Errichtung eines ‚Schenkschranks‘ kam zunächst von einem Herrn aus der Nachbarschaft. Vor einem Jahr stellte dieser einen Schrank direkt an der Schleswiger Straße auf. Beliebt und ausgiebig genutzt, war er trotzdem Ziel von Vandalismus und fiel letztlich der Witterung zum Opfer. Wegen der „hohen Nachfrage“ aber wollte Nadine Schmitz die Idee nicht aufgeben und stellte ein Nachfolgemodell direkt am Gemeindehaus auf. „Hier steht er geschützter und auch ein bisschen privater.“

Der Schrank an zwei verschiedenen Tagen. Oben gut bestückt mit Kinderbüchern, Spielzeug und ausgefallenem Geschirr. Rechts gut sortiert, aber etwas leerer.

Schenkeschrank MichaeliskicheVon Brauchbarem und Bizarrem
Die hohe Akzeptanz hat zur Folge, dass der Schrank manchmal überfüllt ist. Einmal am Tag räumt Nadine Schmitz auf. Auch bei unserem Treffen beginnt sie, den Schrankinhalt routiniert zu sortieren, und entschuldigt sich für die Unordnung. „Ich muss heute meine Kollegin vertreten.“ Bei der ganzen Arbeit sei sie heute noch nicht dazu gekommen, den Schrank auf Vordermann zu bringen.
Mit Unordnung im Schrank hat sie leider zu kämpfen. Manchmal werden kaputte Gegenstände in oder neben den Schrank gelegt. Nach ein paar Tagen, wenn sie sicher ist, dass diese Gegenstände von niemandem mehr gebraucht werden, entsorgt sie diese.
Teilweise fänden sich auch kuriose Dinge im Schrank. Als ich über die Videokassetten staune, erzählt Schmitz mir, dass im Schrank sogar schon einmal Videokassetten mit alten Fernseh-Aufnahmen lagen – liebevoll beklebt mit den entsprechenden Programmhinweisen aus der Fernsehzeitschrift.
Die meisten Dinge aus dem Schrank sind jedoch nützlich und brauchbar. Gesellschaftsspiele, Puzzles, Bücher und Deko-Gegenstände gehören zum Hauptinventar. Auch Gestricktes oder Kinderspielzeug steht häufig im Schrank. Im alten Verschenke-Schrank fand Hausmeisterin Schmitz sogar einmal eine ganze Reihe noch eingeschweißter DVDs. Kurzerhand landeten ein paar davon im Adventskalender ihres filmbegeisterten Vaters.

Einfach geben oder nehmen
Interessierte können jederzeit vorbeikommen. Gerne dürfen brauchbare und gut erhaltene Gegenstände hinterlegt werden. Wer der Hausmeisterin Arbeit abnehmen möchte, sortiert die Gegenstände so ein, dass der Schrank weiterhin ansprechend aussieht. Öfter als einmal am Tag kann Nadine Schmitz aufgrund ihrer Arbeit als Hausmeis­terin nicht auf die Ordnung im Schrank achten. Das Konzept ist unkompliziert: Wer Gegenstände entnimmt, muss nicht zwingend selbst einen Gegenstand abgeben. Im Gegensatz zur Stadtbücherei, die neben Büchern und Medien inzwischen auch Gegenstände verleiht, dürfen die Dinge aus dem ‚Schenkschrank‘ behalten werden. Aktuell stehen gerade Schlittschuhe im Schrank. Wäre das nicht etwas für die anstehende Wintersaison? JA