Von Pyrotechnik und Bierduschen

Das Volksparkstadion war gut gefüllt. Rund 57.000 Fans ließen sich das Spiel nicht entgehen. Fotos: Claas Bock

Persönliche Eindrücke vom Auswärtsspiel beim Hamburger SV

Als ich mit meinen Freunden plante, zum Nord-Duell zwischen dem Hamburger SV und Holstein Kiel zu fahren, ahnten wir noch nicht, was da auf uns zukommen würde. Ausfallende Zugverbindungen, volle Bahnhöfe und eine durchzechte Nacht.

Als einer der wenigen in der Clique, die weder aktiv Fußball spielen noch sonderlich aufmerksam die Spiele in den deutschen Ligen verfolgen, war ich eher aus einem Gemeinschaftsgefühl dabei. Bei einem Auswärtsspiel war ich vorher noch nie gewesen und daher freute ich mich darauf, gemeinsam nach Hamburg zu pilgern.
Das sollte sich jedoch schwieriger gestalten, als wir zunächst angenommen hatten, da die Bahn auf der Strecke zwischen Kiel und Hamburg Gleisarbeiten durchführte. Als Ausweichmöglichkeit organisierte der Kieler Fanklub eine Buskolonne, doch die Karten dafür waren schneller weg, als wir gucken konnten. Da blieb uns nichts anderes übrig, als die Odyssee nach Stellingen auf uns zu nehmen.

Wir bestiegen schon den früheren Zug um kurz nach acht. Um den Tag mit der richtigen Stimmung beginnen zu lassen, trafen wir uns zum „Sektfrühstück“ am Kieler Hauptbahnhof. Mit genügend Flüssigbrot im Magen waren wir gewappnet für die Zugfahrt.
Während ich in aller Ruhe den vollen Zug genießen konnte, mussten meine Freunde noch um ein anderes Spiel bangen. Eigentlich stünde am selben Tag ein Spiel des SV Hammer gegen Eidertal Molfsee an. Leider gab es nicht genügend Spieler, die sich an diesem schönen Samstag aufstellen lassen konnten.

Der Bahnhof Pinneberg war schon voll, als wir ankamen. Die Leute drängten sich auf den Bahnsteigen und ergossen sich in die ankommenden S-Bahnen. Hier kam es zum ersten Aufeinandertreffen der Kieler und Hamburger Fans, was mit großer Anspannung erwartet wurde, da die Castaway Ultras des HSV und das Ultra Kollektiv Lübeck letztes Jahr offiziell ihre Freundschaft verkündet haben, was eine offensichtliche Provokation der Kieler Ultras darstellt. Vielleicht kamen die Gleisarbeiten gerade recht, da so die Ultras in ihren Bussen fuhren und alle anderen entspannt mit der Bahn ankamen.

Erst in Stellingen wurde es interessanter, als die gesamten Massen an Fans aufeinandertrafen. Jemand wie ich, der vorher nur die Weitläufigkeit vor dem Kieler Stadion gewohnt ist, zeigte sich beeindruckt von der schier endlosen Menschenmasse, die sich durch den Volkspark Richtung Stadion schob. Amüsant fand ich, dass die Hamburger Fanmeile unter einer Unterführung aufgebaut wurde, damit auch jeder Fan in den Genuss des besonderen Ambientes einer Hamburger Zugbrücke kommen konnte. Nachdem wir uns schnell mit Bier eingedeckt hatten, ging es weiter zum Stadion. Allerdings konnten wir kaum ein paar Meter laufen, ohne jemanden aus der Mannschaft meiner Freunde zu treffen. Sogar der Trainer stand mit einer Dose Bier am Wegesrand.

Im Stadion trennten sich unsere Wege. Ein Teil von uns hatte Stehplätze in der Fankurve, der andere hatte Sitzplätze in den oberen Rängen. Natürlich hatten wir in der Fankurve das bessere Spielerlebnis. Lautes Mitgröhlen der Fangesänge, Asche von Pyrotechnik im Nacken und Bierduschen entschädigten für das ernüchternde Unentschieden. Für Spannung während des Spiels sorgte eher der Weg zu den Toiletten. Wer vorhatte, sich auf den – im Vergleich zum Kieler Stadion übrigens sehr viel schlechteren – Stadiontoiletten zu erleichtern, entschied sich am besten schon zehn Minuten im Voraus, da die Fankurve so dicht gefüllt war, dass man nur mit roher Gewalt oder viel Geduld ans Ziel kam.

Dafür lieferte die volle Fankurve eine eindrucksvolle Choreo. Jedem von uns wurde am Eingang ein Poncho in den Farben der KSV in die Hand gedrückt. Die obersten Ränge trugen Blau, die darunter Weiß und wir ganz unten trugen Rot. Als zur zweiten Halbzeit das Signal kam, zogen wir alle unsere Ponchos aus und warfen sie in die Reihen vor uns. Das wirkte, als käme eine Lawine in den KSV-Farben die Fankurve heruntergerollt.

Doch alles Anfeuern half gegen den ernüchternden Charakter des Spiels nicht. Zwar bekam Hamburg einen Dämpfer für seine Aufstiegschancen verpasst und konnte bei 17 Eckbällen keinen einzigen Treffer verwandeln, doch auch Holstein ertrank nicht gerade in einer Fülle an Chancen. Auch ein vielbeschäftigter Fabian Reese und ein zu spät eingewechselter Kwasi Okyere „Otschi“ Wriedt konnten das lang ersehnte Tor nicht bringen. Das dämpfte zwar die Stimmung nach dem Spiel, sorgte aber auch dafür, dass Fans beider Lager friedlich auseinandergingen.
Wir nutzten die Chance, in Hamburg kiezen zu gehen und ließen den Abend auf der Reeperbahn ausklingen. CB