Wahl zum OB: Vier für Kiel

Am letzten Oktober-Sonntag entscheiden die Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt Kiel über ihren Oberbürgermeister. Zur Wahl stellen sich Amtsinhaber Ulf Kämpfer (SPD), der von den Grünen, dem SSW und der FDP unterstützt wird, für die CDU tritt Andreas Ellendt an. Die Linke hat Björn Thoroe aufgestellt und für Die Partei bewirbt sich Florian Wrobel.

Um die Wahl vielleicht ein wenig zu erleichtern, stellen wir Ihnen die Kandidaten etwas näher vor. Die Fragen unseres Redakteurs Winfried Jöhnk zu den politischen Zielen der Kandidaten beziehen sich zum einen auf die Gesamtsituation Kiels, zum anderen auf besondere Aspekte im Kieler Süden, dem Hauptverbreitungsgebiet unserer Zeitung.

Persönliche Vorstellung:

Dr. Andreas Ellendt (55)
Promovierter Chemiker, Lehrer, Ehemann und Vater von 4 Kindern.
In Kiel habe ich studiert. Seit 10 Jahren wohne und arbeite ich wieder in Kiel.

Dr. Ulf Kämpfer (47)
Ich bin in der Nähe von Plön aufgewachsen. Nach dem Zivildienst studierte ich Jura und Philosophie in Göttingen, Galway, New York und Berlin.
2001 bin ich nach Kiel gekommen, 2008 wurde ich Richter am Amtsgericht, 2012 Staatssekretär im Umweltministerium bei Robert Habeck.
Kieler Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent bin ich seit 2014.
Seit zehn Jahren wohne ich mit meiner Frau Anke Erdmann und unserem Sohn Johann in Kiel-Hassee. Wenn ich mal nicht im Rathaus bin, trifft man mich vielleicht beim Joggen an der Eider.

Björn Thoroe (35)
Ich bin 1984 in Kiel geboren und hier aufgewachsen. Am Ernst-Barlach-Gymnasium habe ich mein Abitur gemacht und anschließend ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Altenheim in Wankendorf absolviert. Während meines Studiums, das von meiner Zeit als Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtags von 2010 – 2012 unterbrochen wurde, arbeitete ich in einem Call-Center. Mein Studium habe ich mit einem Bachelorabschluss in Soziologie und Geschichte abgeschlossen.
Seit über 16 Jahren bin ich Mitglied der Partei DIE LINKE und noch länger Teil der zivilgesellschaftlichen Bewegungen in Kiel. Sowohl als Mitglied meiner Partei als auch in meiner Zeit als Landtagsabgeordneter habe ich immer viel Wert auf einen engen Kontakt zu den zivilgesellschaftlichen Bewegungen in Kiel gelegt.
Auch bei den Abstimmungen über die (bis heute dann nicht erfolgte) Ansiedlung von Möbel Kraft, über die Bewerbung für die olympischen Segelwettbewerbe in Kiel und über die Schließung des unwirtschaftlichen Holtenauer Flughafens sowie beim Bürger*innenbegehren gegen die Schließung des Freibads Katzheide war ich aktiver Teil der Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung. Ich bin mit ganzem Herzen Antifaschist und Sozialist. Daher setze ich mich dafür ein, dass alle Menschen gleichberechtigt, frei und selbstbestimmt leben können.

Florian Wrobel (26)

Zur Person: Geb. 13.10.92 in Kiel
Student der Sozialen Arbeit
Kreisvorsitzender des Kreisverbandes Kiel
Vorsitzender des Bundesverbandes der PARTEI Hochschulgruppen
Vorsitzender der Jugendorganisation HintnerJugend Nordbund
Mitglied des Behindertenbeirates
Bürgerliches Mitglied des Ortsbeirates Hasseldicksdamm/Schreventeich
Fraktionspolitischer Sprecher für Inklusion und Barierefreiheit

Wie beurteilen Sie die politische Arbeit der ablaufenden Wahlperiode?

ELLENDT: Es fehlen seriöse Gesamtkonzepte z. B. für die Stadtentwicklung mit Gewerbe und Wohnungsbau und die Mobilität. Stattdessen haben wir viele Einzelvorhaben, ein schlechtes Baustellenmanagement, ein Allzeithoch an Leerständen in der Innenstadt, unvorstellbaren Sanierungsbedarf an Schulen und Straßen und viele Luftschlösser. Auch die Wartezeiten im Bürgeramt von mehreren Monaten sind inakzeptabel.

KÄMPFER: Kiel ist im Wandel und entwickelt sich gut. 12.000 neue Jobs und 1000 neue Kitaplätze sind entstanden, der Wohnungsbau wurde kräftig angekurbelt. Überall wird gebaut und in Kiels Zukunft investiert. Die Stadt hat das Haushaltsdefizit abgebaut und zuletzt 84 Mio. Euro Überschuss gemacht. Es bleibt viel zu tun – und weil ich zu Ende bringen möchte, was ich angeschoben habe, bewerbe ich mich für eine zweite Amtszeit.

THOROE: Die Bilanz des SPD-Oberbürgermeisters Dr. Ulf Kämpfer in den zentralen, kommunalen Politikbereichen ist verheerend. Die Zahl der Wohnungsnotfälle hat sich in seiner Amtszeit von 400 auf 2157 im Jahr 2017 mehr als verfünffacht und mittlerweile dürften es noch deutlich mehr sein. Gleichzeitig sank die Zahl der Sozialwohnungen in seiner Amtszeit um die Hälfte und der „Miethai“ Vonovia ist nun die bestimmende Kraft auf dem Kieler Wohnungsmarkt. Außerdem braucht Kiel nicht immer mehr Hotels und sinnlose, teure Großprojekte, wie den Kiel-Kanal in der Innenstadt. Weitere Problematiken sind die langen Wartezeiten im Rathaus und die nicht besetzten Stellen in der Bauverwaltung, die dazu führen, dass ein Sanierungsstau an den Kieler Schulen aufgelaufen ist.

WROBEL: Ich bedanke mich für diese Frage und werde sie aus meiner Erfahruug und meiner Sicht beantworten. Ich werde mich kurz halten und sie mit folgenden Worten beschreiben: Sie waren stets bemüht.

Wo wollen Sie als zukünftiger OB ihre Schwerpunkte setzen?

ELLENDT: Stadtentwicklung, Mobilität und Schulen werde ich vordringlich anpacken.

KÄMPFER: Oberste Priorität haben bezahlbare Wohnungen und die Verkehrswende: weniger Stau, besserer und günstiger öffentlicher Nahverkehr, mehr Radwege – das hilft auch dem Klima. Genug Kitaplätze mit günstigen Gebühren, Ausbau und Sanierung der Schulen, Schulsozialarbeit – jedes Kieler Kind muss es packen können! Schließlich: gute Bedingungen für Unternehmen und Arbeitsplätze, Engagement für eine lebendige Innenstadt, Kiel mehr ans Wasser bringen, z. B. mit einer neu gestalteten Kiellinie.

THOROE: Ich will, dass Kiel eine starke Wohnungsbaugesellschaft mit 13.000 Wohnungen aufbaut und Mieter/-innen vor Luxusmodernisierungen geschützt werden. Außerdem braucht Kiel eine Verkehrswende mit kostenlosem ÖPNV, einer Stadtbahn und einer autofreien Innenstadt. Alle neuen millionenteuren Großprojekte sollen vorher in einem Bürger/-innenentscheid abgestimmt werden. Mit einem Sofortprogramm für schnellere Termine im Rathaus werde ich die Wartezeiten deutlich reduzieren. Dafür sollen u. a. Aushilfskräfte angestellt werden, die helfen, die Anträge zu bewältigen

WROBEL: Als OB werde ich mein Hauptaugenmerk auf Wohnen aller Art, die Instandsetzung des ÖPNV und die Bekämpfung des Klimawandels, legen. Das ist der sogenannte Drei-Punkte-Plan, wie er auf meiner Armbinde abgebildet ist. Die Übertunnelung des THRs bietet viele neue Möglichkeiten, unter anderem neuen Wohnraum für alternative und soziale Wohnprojekte und wir können einfachere Filteranlagen anbringen. Außerdem wollen wir, das Schwarzfahren bezahlbar bleibt und fordern deshalb das Ein-Euro-Schwarzfahrticket. Des Weiteren verlangen wir den Bau eines Kreuzfahrthafens in Laboe damit wir das Problem los sind und wir dem Motto „Kiel Sailing City“ eine ganz neue Bedeutung geben können – jetzt fragen Sie, wie das? Ganz einfach, die Touristen werden mit Segelbooten von Laboe direkt in die Kieler Innenförde transportiert. Dies sind nur ein paar Auszüge aus meinem Wahlprogramm.

Schwerpunkt von KIEL LOKAL ist der Kieler Süden. Die Schadstoffbelastung insbesondere am Theodor-Heuss-Ring übersteigt die zulässigen Werte. Welche Lösung streben Sie an?

ELLENDT: Kurzfristig kann die von der CDU vorgeschlagene Absauganlage Verbesserungen bringen. Auch über eine Schutzwand ist noch nicht ausreichend gesprochen worden. Kurzfristige Verbesserungen beim teuren und für viele unattraktiven ÖPNV durch mehr Querverbindungen müssen geschaffen werden. Dann geht es um die Entwicklung eines modernen ÖPNV unter Einschluss eines getakteten und effizienten Fährverkehrs auf der Förde.

KÄMPFER: Die bisherigen Maßnahmen zeigen Wirkung, in 2019 sinken die Messwerte stark. Wir können die Grenzwerte ab 2020 wieder einhalten, z. B. mit einem attraktiven Jobticket und ggf. Luftfilteranlagen. Fahrverbote, die nur zu Ausweichverkehren mit mehr Abgasen, Lärm und Unfallgefahren führen, brauchen wir nicht.

THOROE: Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Theodor-Heuss-Ring in jede Richtung nur noch einspurig für Pkw befahrbar sein wird. Das wird die Schadstoffbelastung deutlich reduzieren. Der frei gewordene Raum kann dann durch Fahrrad- und Busverkehre genutzt werden.

WROBEL: Die THR-Frage habe ich mit der Übertunnelung schon direkt beantwortet, ich bin mir sicher, dass dies der einzig richtige und vernünftige Weg ist, Kiel und seine Menschen zu retten und zu schützen.

Langfristig möchte ich auch die B76 mit an den Tunnel anschließen, dieses Projekt bietet uns neue Flächen und Chancen, etwas Großes zu schaffen. Ich möchte auch nochmal betonen, dass es für mich keine Lösung ist, die Lkws durch die Innenstadt zu leiten oder den THR einspurig zu machen, denn dann haben wir durchgehend Stau und das hilft den Menschen auch nicht.

Die Radwegsituation in Teilen der Rendsburger Landstraße und der Hamburger Chaussee ist unbefriedigend. Welche Priorität hat der Ausbau bei Ihnen?

ELLENDT: Der Radwegausbau auch auf eigenen Trassen hat hohe Priorität. Insbesondere muss mehr auf die Sicherheit der Radfahrer geachtet werden. Das Parken auf Radwegen muss wesentlich strenger kontrolliert werden.

KÄMPFER: Als Fahrradfahrer, der in Hassee wohnt, weiß ich um die notwendigen Verbesserungen an beiden Straßen. Besonders am hinteren Abschnitt der Rendsburger Landstraße müssen wir rasch etwas tun. Ich will die Investitionen in gute Radwege in ganz Kiel verdoppeln, Radfahren aber auch sonst attraktiver machen, z.B. mit dem Ausbau des Bikesharing-Systems und mehr Fahrradparkhäusern.

THOROE: Der Ausbau des Radverkehrs ist Teil einer sozialen und ökologischen Verkehrswende. Daher hat der Ausbau von Radwegen bei mir eine hohe Priorität. Das gilt natürlich auch für den Kieler Süden.

WROBEL: Der Radverkehr hat für mich immer eine hohe Priorität, aber besonders an diesen Stellen eine ganz besondere. Dies war lange Zeit mein Schulweg zur Gesamtschule Hassee und es ist dringend notwendig, den Fahrradverkehr auszubauen, aber dabei ist mir auch wichtig, dass dies gerade bei Schulwegen sicher für Groß und Klein ist. Die Schülerschaft muss dringend entlastet werden, bei den kaputten Schulen, den andauernden Reformen im Bildungssystem können wir die Schülerschaft nicht noch mit risikoreichen Schulwegen belasten.

Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Wo sehen Sie im Kieler Süden Möglichkeiten?

ELLENDT: Das geplante Neubaugebiet in Meimersdorf muss schnell bebaut werden. Insbesondere muss aber die Planung im Hinblick auf eine mögliche Stadtbahntrasse und den zeitgleichen Bau einer Schule erweitert werden.

KÄMPFER: Im „Stadtdorf“ im Kieler Süden am Bustorfer Weg sowie auf den Feldern zwischen Solldiekswall und dem Meimersdorfer Friedhof werden ab 2022 rund 1600 Wohneinheiten entstehen. Auf Hof Hammer geht es bald (endlich!) los. Aber auch in Wellsee, Russee und Hassee gibt es noch Potenziale, etwa auf nicht mehr benötigen Gewerbegrundstücken.

THOROE: Der Wohnbauflächenatlas der Stadt Kiel listet im Kieler Süden 21 Flächen auf, auf denen noch Wohnbebauung möglich wäre. Diese sollten entwickelt werden. Der Wohnbauflächenatlas sieht für diese Flächen größtenteils den Bau von Einfamilienhäusern vor. Ich will dagegen erreichen, dass auf diesen Flächen der Bau von Mehrfamilienhäusern erfolgt, damit der Wohnungsnot in Kiel wirksam entgegengetreten wird.

WROBEL: Neuer Wohnraum in Kiel ist Mangelware, aber das wissen sie ja auch, ich werde nicht im Kieler Süden noch mehr Grünflächen zerstören oder Gemeinschaftsflächen einstampfen. Ich denke, mit Hausbooten auf dem Russee oder mit den neuen Wohnanlagen auf dem THR und der B76 haben wir schon viel Platz für Neues.

Wie sieht Kiel im Jahr 2050 aus?

ELLENDT: Kiel muss als attraktiver ökologischer Wohn- und Arbeitsstandort entwickelt werden. Dazu gehören u.a. bezahlbarer Wohnraum auch für junge Familien, zukunftsgerichtete Mobilität, eine Innenstadt mit Aufenthaltsqualität, moderne Schulen und eine gut organisierte Verwaltung, die die Anliegen von Bürgern und Unternehmen zeitnah behandelt.

KÄMPFER: Kiel hat eine Stadtbahn und kostenlose Kitas. Der Hochschulstadtteil „Kiel.Science.City“ zieht Studierende und innovative Firmen aus aller Welt an, auf der Förde fahren autonome Elektro-Fähren. Die starke städtische Wohnungsbaugesellschaft sorgt für bezahlbares Wohnen, Kiel wirtschaftet klimaneutral und ist europäische Kulturhauptstadt.

THOROE: Mein Wunsch: Ohne Armut, mit Arbeit für alle, die wollen, klimaneutral, mit kostenlosem starken ÖPNV sowie immer noch weltoffen und solidarisch mit Geflüchteten. Durch Kiel sollte außerdem eine Stadtbahn fahren. Auf dem jetzigen Flugplatz ist ein neuer Stadtteil mit günstigem Wohnraum und Gewerbe entstanden und Kiel ist größer geworden, da Kronshagen eingemeindet worden ist.

WROBEL: Dies ist eine schöne Frage und ich freue mich schon sehr, die anderen Interviews dazu zu lesen. Für mich wird sich visuell wahrscheinlich an dem Bild nichts mehr ändern, ob das jetzt mein Vorteil oder mein Nachteil ist, überlasse ich Ihnen, liebe Leserinnen.

Ich werde Kiel modernisieren und ans Meer anschließen, unter anderem hoffe ich, dass Kiel im Jahr 2050 immer noch so bunt(grau) und fröhlich ist wie jetzt, verbessern würde ich vieles, wichtig ist mir aber unter anderem, dass alle ein Dach über dem Kopf haben – und seien es nur die Kinder unter der Bushaltestelle.

Die Förde wird direkten Einzug ins Stadtbild bekommen haben durch den Bau weiterer Kanäle ganz nach dem Vorbild Venedig 2.0.

Ich lebe gern in Kiel, weil …

ELLENDT: … ich die Wassernähe schätze, hier viele nette Menschen kenne und Dinge verändern will.

KÄMPFER: … Kiel die Vorzüge einer Großstadt am Meer bietet und doch überschaubar ist; Kiel eine „ungekämmte Schönheit“ ist und auf gutem Weg, mehr aus ihrem großen Potenzial zu machen; Kiel alle willkommen heißt, die es gut mit der Stadt meinen.

THOROE: … es am Wasser liegt; die Menschen größtenteils sehr herzlich sind; noch viele Grünflächen erhalten sind.

WROBEL: … weil ich das Meer und die Vielfalt der Menschen liebe; weil ich keine Lust habe umzuziehen; weil ich bald Oberbürgermeister dieser wunderschönen Stadt bin, denn Kiel weiß man erst zu lieben, wenn man die unterschiedlichen Grautöne zu schätzen weiß.

Text: Jöhnk