In den vergangenen Jahren waren die Landeshauptstadt Kiel und der Gewerbeverein HIP Kiel-Wellsee nicht immer einer Meinung, wenn es um den geplanten Ausbau der B404 zur A21 ging. Knackpunkt ist der Autobahnanschluss für das größte Gewerbegebiet in Schleswig-Holstein.
Die Gewerbetreibenden aus Wellsee pochen darauf, weiterhin zwei Zufahrtstraßen zu erhalten. Sie befürchten Standortnachteile, sofern es nur einen Vollanschluss über den Wellseedamm geben sollte. Geplant ist, dass es über die Edisonstraße keine weitere Auffahrt auf die A21 gibt. Das hätte längere Wege und in Spitzenzeiten wahrscheinlich Staus zur Folge. Im schlimmsten Fall von Unfällen oder Baustellen könnte der Verkehr ganz zusammen-
brechen.
Die Vertreter der Stadt können diese Befürchtungen durchaus verstehen, nur bezahlen möchte sie einen zweiten Vollanschluss nicht. Um in dieser verfahrenen Lage zu vermitteln, hatten der Gewerbeverein HIP Kiel-Wellsee e. V. und die IHK zu Kiel am 10. Dezember zu einer Podiumsdiskussion ins Sporthotel Avantage eingeladen.
Der Tiefbauamtsleiter Peter Bender startete mit einer chronologischen Übersicht über bisherige Verkehrsgutachten und Beschlüsse. Er übergab an Mario
Schönherr von der DEGES, welche im Oktober 2019 die Autobahnplanung vom Landesbetrieb SH übernommen hat. Die Projektmanagementgesellschaft wurde 1991 gegründet, um Autobahnen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit zu planen und bauen. 1.250 Autobahn-Kilometer sind so insgesamt entstanden. Schönherr ist seit zehn Jahren als Projektleiter in Schleswig-Holstein aktiv (u. a. Ausbau A7 und Ersatzneubau Rader Hochbrücke) und präsentierte weitere aktuelle DEGES-Großprojekte in
Hamburg.
Der Projektleiter für den A21-Ausbau sagte: „Wir haben 13 Kartons voll Akten bekommen. Da widerspricht sich nach 20 Jahren Planung einiges. Das müssen wir uns genau anschauen.“ Und weiter: „Mir ist noch nicht zu 100 % klar, wie es ohne den Anschluss der Edisonstraße funktionieren soll. Aktuelle Gutachten bestätigen, dass durch den vorgesehenen Bau der A 21 der Verkehr noch deutlich zunehmen wird. Wir müssen das zumindest planerisch so vorbereiten, dass man hier auch später noch eine Brücke mit Anschlussstelle bauen könnte.“
Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer verdeutlichte den Standpunkt der Stadt Kiel: „Man findet Sachen super, solange man sie nicht bezahlen muss. Ein normaler Unternehmer würde auch keine zehn Millionen ausgeben, wenn er es nicht unbedingt muss. Das ist für uns haushaltsrechtlich nicht möglich“, so Kämpfer. „Die beste Lösung ist, wenn wir Herrn Schönherr überzeugen, dass der Bund bezahlt.“
Aus diesem Grund geben die Stadt und die IHK gemeinsam ein Gutachten in Auftrag. Das darf allerdings kein Gefälligkeitsschreiben werden, sondern ein belastbares Gutachten, das die Notwendigkeit eines zweiten Autobahnanschlusses fundiert nachweist. „Das Gutachten muss von der Systematik vom Bund anerkannt sein“, bekräftigt Werner Kässens von der KiWi.
Von Seiten der Zuhörer gab es eine Menge Fragen und Anregungen, aber auch Beschwerden über die jetzt schon angespannte Verkehrslage. Hingewiesen wurde auf Spitzenzeiten, zu denen besonders viel los ist. Auch auf den hohen Anteil von Schwerlastverkehr. „Warum sperren wir die Edisonstraße nicht einfach eine Woche ab und schauen was passiert“, meinte ein Unternehmer provokant und erntete damit den Unmut der anderen. Doch genau dieser
Fall wird eintreten, wenn auf die zweite Anschlussstelle verzichtet wird. Mehr noch. Gegenüber soll ein weiteres 40 ha großes Gewerbegebiet entstehen sowie 1.600 neue Wohneinheiten. Auch die werden über den Wellseedamm erschlossen. Wie soll das funktionieren?
Thorsten Schlüter, der Vorsitzende des Gewerbevereins, gab sich in seinem Fazit versöhnlich: „Wenn man sieht, wie verfahren die Situation mal war, bin ich jetzt vorsichtig optimistisch. Ich glaube, wir können sehr gut zusammen arbeiten. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Nach vielen Jahren der Dunkelheit sehen wir jetzt das Licht am Ende
des Tunnels.“
(Text & Foto: Frahm)