LESERBRIEF: Bürgerbeteiligung nur wenn es gerade passt

In der Sitzung des Ortsbeirates vom 21. März 2017 erfuhren die Einwohner im Hasseer Carré: „Verkehrsversuch beendet“. Dazu ein Leserbrief einer betroffenen Leserin.

Den Bürgerinnen und Bürgern und ihrem Anliegen wird mit dieser Entscheidung ganz klar eine unangemessene Bedeutung zugesprochen.

Angemessen hingegen ist offensichtlich, nach bald drei Jahren Versuchsphase, am Ende eben noch schnell ein paar Befürworter zu Worte kommen zu lassen, auf Grund deren Aussagen man sich dann gezwungen sah … Sind das dann jetzt die „alternativen Fakten“?

Ich bin immer wieder bestürzt, mit welchen haarsträubenden Antworten Bürger und Bürgerinnen von Ämtern und Behörden geradezu abgespeist werden – so auch hier.

Bürgerbeteiligung? Was ist das? Sich vorher die Pläne gewissermaßen absegnen zu lassen, um dann doch nach eigenem Gusto zu verfahren?

Es scheint zuerst so, als ob wir nur als Stimmvieh geeignet sind. Und ja, die Politiker ermahnen uns, unsere demokratischen Grundrechte wahrzunehmen und zum Beispiel zur Wahl zu gehen, weil sie sich eben mehr Wahlbeteiligung wünschen. Wofür dies bitte?

Die Politikverdrossenheit hat eben in genau solchen Vorgängen ihre Ursache und dies offensichtlich zu Hauf. Würden die Menschen ansonsten wohl so zahlreich auf die Wahrnehmung ihres Wahlrechtes verzichten, wenn sie einen „gewissen Einfluss“ hätten? Da nützt auch ein aufgehübschter Landtag nichts, der die Bürger zum Tag der offenen Tür einlädt.

In diesem Zusammenhang muss auch die Rolle des Ortsbeirates erwähnt werden. Er hat eine beratende Funktion. Aber was nützt diese Funktion, wenn dieser Vermittler zwischen Bürgern und Verwaltung nicht angehört wird? Es ist schon unglaublich, dass der Ortsbeirat der Stadt zweimal mitteilen musste, dass die Bürger die jetzige Verkehrsführung definitiv ablehnen.

Wie bekannt, wurden von Bürgerseite bereits alle Punkte vorgebracht, die zur Ablehnung führten. Wozu braucht es dann noch eine Befragung? Und dies nach so langer Zeit? Ach ja, es fehlten dann vielleicht noch „relevante“ Persönlichkeiten.

Der Ortsbeirat wurde nicht nur auf eine gewisse Art vorgeführt, sondern nimmt auch selbst als Institution Schaden. Der Ortsbeiratsvorsitzende, Herr Voigt, wünscht sich zurecht mehr Engagement von den Bürgern (KIEL LOKAL März 2017). Welcher Bürger/welche Bürgerin aber ist nicht frustriert, wenn er/sie von den Entscheidungsträgern so derart düpiert wird? Diese Stimmung kann sich dann auch leicht auf etwaige kleinere Anliegen auswirken, um die sich der Ortsbeirat gerne kümmern würde, wie er sich auch in der Vergangenheit darum gekümmert hat. Man bedenke auch, dass die Mitglieder des Orstbeirates immerhin ein freiwilliges Ehrenamt ausüben. Nicht nur die Menschen im betroffenen Areal haben sich geäußert.

Auch die KVG hat mit der Linienführung ein Problem. Die Busse sind für den Straßenbelag in der Neuenrade nicht geeignet und tragen Schäden davon. Fahrgäste fühlen sich in ihrem „Fahrgefühl“ beeinträchtigt.

Absolut inakzeptabel ist jedoch, dass es durch die Verkehrsführung zu einer Bedienungslücke gekommen ist, unter der Menschen aus sozialen Einrichtungen leiden.

Es steht außer Frage, dass die Sicherheit von Kindern ein hohes Gut ist; darüber gibt es keine Diskussion. Aus diesem Grunde hätte der Kindergarten allerdings auch erst gar nicht an diese Straße gebaut werden dürfen, zumal er auf der Seite auch noch von der Bahn begrenzt wird. Es ist selbstredend, dass sich der Kindergarten positiv zu der jetzigen Situation äußerte.

Und so wichtig die Kinder sind: Diese Gesellschaft besteht auch noch aus alten Menschen, denen man hier keine Rechnung trägt (siehe Bedienungslücke KVG). Bei dem bisherigen Verhalten der Stadt sehe ich noch nicht, dass der Bus innerhalb der Einbahnstraßen-Regelung eine Ausnahmegenehmigung erhält.

Zudem möchte ich nicht wissen, wie sich das dann auf die „Akzeptanz“ der übrigen Verkehrsteilnehmer auswirkt.

Verhöhnt können wir uns als Bürger nur fühlen, wenn auch noch die Aussage getroffen wird, dass „die jetzige Situation mehr Sicherheit für die Fußgänger verspreche“. Da schlägt’s dann dem Fass wirklich den Boden aus.

Der Versuch hat neben den genannten Mehrbelastungen auch Gefahrenpunkte geschaffen und nichts dergleichen eliminiert!

Hierüber liegen dem Tiefbauamt und dem Bürger- und Ordnungsamt insgesamt Hunderte von E-Mails mit unzähligen Fotos und Video-Sequenzen vor. Besonders kritisch ist der Bereich der Bushaltestelle in der Altenrade zu nennen sowie der mit der Variante 3b-1 hinzugekommene Fahrradschutzstreifen in der Neuenrade hinsichtlich drohender sogenannten Personenschäden.

Wir wurden zwar in den Ortsbeiratssitzungen angehört, ein echter Dialog zwischen Stadt und Bürger fand nicht statt. Die Politik hat sich auch hier, wie so oft im allgemeinen politischen Geschehen, längst vom Bürger abgesetzt. Hier passt vielleicht ein Zitat aus Wilhelm Buschs Feder: Was wäre der dicke Sack ohne die Ähren?

(Text: Bürgerin Regina Schmidt; Foto: Frahm)