Kaffee, Kuchen und Kontakt

Von links: Das Café Klatsch-Team besteht aus Lamis Al-Saqqaf, Kerstin Sendel und Renate Graetsch. Ganz rechts: Elisabeth Ratzow, die Sprachunterricht gibt und ihre Schülerinnen bei Kaffee und Spielen zum freien Sprechen animieren möchte.

Café Klatsch: Begegnungsstätte zum Deutschlernen und Austausch ist wieder eröffnet

Schon 2015 mit der ersten Flüchtlingswelle war schnell klar, dass die Integration der Flüchtlinge nur über das möglichst schnelle Erlernen der deutschen Sprache und das Eintauchen in unsere Kultur, Werte und Gebräuche gelingen kann. Dabei helfen Sprachkurse, aber auch ganz besonders der direkte Kontakt mit Deutschen.

Sprachkurse schossen damals auf Basis von Ehrenamtlichen wie Pilze aus dem Boden, aber der direkte Kontakt mit Menschen außerhalb des darüber hinaus oft eintönigen Lebens in den Flüchtlingsunterkünften fehlte.

Niederschwellige Begegnungsmöglichkeit
So kam 2016 Renate Graetsch auf die Idee, nach einer Begegnungsmöglichkeit für Flüchtlinge und Einheimische zu suchen. Um bei Kaffee, Getränken, Kuchen und mehr in einer gemütlichen Atmosphäre Deutsch zu sprechen und sich auszutauschen. Um Spiele zu spielen, Spaß miteinander zu haben und sich vielleicht auch für einen Ausflug, gemeinsamen Sport oder einen interkulturellen Kochabend zu verabreden. Oder um sich wechselseitig Hilfe zu leisten und über Sprachbarrieren hinweg menschlich näher zu kommen – auch in der Hoffnung, dass sich daraus vielleicht die ein oder andere Patenschaft oder Freundschaft entwickelt. Denn Patenschaften mit ihrer individuellen Sprachförderung und Hilfestellung haben sich als Integrationshilfe bestens bewährt und Freundschaften erleichtern das Ankommen in einem fremden Land.

Eigene Geschichte als Motivation
Die Eltern von Renate Graetsch stammen aus dem Baltikum (aus Riga) und sind selbst als Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg nach Schleswig-Holstein gekommen. „Ich habe dadurch erfahren, wie schwer es ist, hier Fuß zu fassen“, sagt sie. „Ich versuche, mich in die Geflüchteten hineinzuversetzen, wie es sein muss, aus einem Kriegsgebiet zu fliehen und in ein fremdes Land mit fremder Sprache zu kommen. Wenn ich dann ein Lächeln und ein Aufatmen erlebe dafür, dass sich jemand ihrer annimmt, ist das für mich ein großes Glücksgefühl und Motivation und Lohn zugleich.“
Café Klatsch entsteht
Mit Spenden als Startkapital und mit Hilfe der Christuskirche durch kostenlose Nutzungsmöglichkeiten von Räumen und Küche im Gemeindehaus in der Kopperpahler Allee 12 und der Unterstützung durch Kuchenspenden durch ihre Freundinnen nahm das Projekt der engagierten Ehrenamtlerin Graetsch schnell Gestalt an. Als sich dann auch noch mit Kerstin Sendel eine ehrenamtliche und unermüdliche Macherin fand, die sich um alles Praktische rund um das Café an den Öffnungszeiten kümmerte, stand dem Startschuss für das Café nichts mehr entgegen.
Auch in der Familie von Kerstin Sendel gibt es einen Flüchtlingshintergrund, ihre Eltern stammen aus Pommern. „Ich helfe aber auch einfach gerne Menschen, die Hilfe brauchen“, erklärt die nicht nur im Café Klatsch, sondern auch im Deutschunterricht für Flüchtlinge Engagierte.
Die Erfolgsgeschichte währte bis 2019, dann waren die meisten Flüchtlinge der ersten Flüchtlingswelle integriert. Das Café wurde weniger frequentiert und mit Beginn der Corona-Pandemie schloss das Café für drei Jahre seine Pforten.

Ukrainekrieg und weitere Flüchtlinge
Spätestens seit Beginn der Flüchtlingswelle aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern wie dem Iran, Irak, Syrien und Eritrea ist der Bedarf für eine Begegnungsstätte wieder da.

Wiedereröffnung im April 2023
So wurde am 12. April 2023 das Café Klatsch wieder eröffnet und war gleich beim ersten Mal ausgesprochen gut besucht. Das lag nicht zuletzt an Kerrin Nissen, die seit 1. Dezember 2022 als neue Flüchtlingsbetreuerin und Ehrenamtskoordinatorin der Gemeinde Kronshagen tätig ist. Sie gab den Anstoß zur Wiedereröffnung und sorgte dafür, dass Plakate nach Vorlagen der Ehrenamtler im Rathaus gedruckt und auch übersetzt auf Ukrainisch und Arabisch in den Flüchtlingsunterkünften aufgehängt wurden. Zusammen mit ihren Kollegen und Kolleginnen vom Flüchtlingsbetreuungsteam sprach sie auch Flüchtlinge persönlich an und motivierte sie zu kommen. „Das ehrenamtliche Projekt ist eine große Bereicherung und Möglichkeit für die Integration von Flüchtlingen und ich unterstütze das Café Klatsch gerne und mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften.“
Claus Merdingen sorgte mit Gitarre und einfachen deutschen Liedern zum Mitsingen für Stimmung und will regelmäßig zum Café kommen. Für das nächste Mal möchte er ukrainische Volkslieder vorbereiten.

Alle kulinarischen Angebote waren und sind umsonst. Besonders die leckeren Käse- und Apfelkuchen sowie die arabischen Köstlichkeiten fanden schnell ihre Abnehmer. „In der lockeren Atmosphäre fällt es den Flüchtlingen leichter, ihre Scheu, Deutsch zu sprechen, zu verlieren. Viele können sogar erstaunlich gut Deutsch aus der Schule oder den Sprachkursen. Ihnen fehlt nur die Überwindung, es zu sprechen.“, erklärt Renate Graetsch und fügt hinzu: „Mit einem Spiel und viel fröhlichem Lachen gelingt das hier prima.“
Wünschenswert wäre es aber noch, wenn noch mehr jüngere Einheimische für die oft jüngeren Flüchtlinge ihren Weg ins Café Klatsch finden würden. Gemeinsame Interessen lassen bestimmt die Sprachbarrieren leichter fallen. Auch Kinder sind herzlich willkommen und können sich entweder in einer Spielecke selbst beschäftigen oder Gesellschaftsspiele mitspielen. Vielleicht findet sich ja auch jemand, der die Kinderbetreuung übernehmen möchte?

Unterstützung durch AWO und Spieliothek
Das Spielzeug und Spieleangebot ist dank der Möglichkeit der Ausleihe aus der Spieliothek der AWO unerschöpflich, so dass jedes Mal ein anderes attraktives Angebot besteht.

Unterstützung durch eine jemenitische Freundin
Kerstin Sendel wird beim Café Klatsch von Lamis Al-Saqqaf unterstützt. Die vierfache Mutter kam vor fünf Jahren mit ihrer Familie aus dem Jemen nach Deutschland und lernte in einem Sprachkurs von Kerstin Sendel Deutsch. Doch Kerstin Sendel brachte der Jemenitin nicht nur Deutsch bei, sondern unterstützte die Familie auch bei allen anderen Belangen: „Wir hatten von Anfang an über die Sprachbarriere und die kulturellen Unterschiede hinweg einen guten Draht zueinander.“ Durch die gute Sprachförderung und individuelle Hilfe wird der älteste Sohn die Schule demnächst abschließen, der Zweitälteste ist auf dem Gymnasium und die ganze Familie gut integriert. „Sie ist meine Seelenverwandte“, schwärmt Kerstin Sendel, und Lamis Al-Saqqaf ergänzt: „Wir sind Freundinnen geworden.“
Ein wunderbares Beispiel, was der gute Kontakt zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, wie er im Café Klatsch hergestellt werden soll, bewirken kann.

TERMINE

Café Klatsch
Immer am 2. und 4. Mittwoch von 15–17 Uhr
Gemeindesaal der Christuskirche
in der Kopperpahler Allee 12

Kostenloses Angebot für Geflüchtete und Einheimische.
Kuchenspenden, Geldspenden und Hilfsangebote bitte absprechen mit Kerstin Sendel.
Kontakt: kgsendel@gmail.com, Telefon 0431 / 58 35 98,
gerne auch auf den AB sprechen.


Walking für Geflüchtete und Einheimische
Immer am 1. Samstag im Monat um 11 Uhr
Startpunkt: Rathaus Kronshagen.
Walkingrunden mit Renate Graetsch ins Domänental, Hasseldieksdammer Gehölz, Eichhof etc., manchmal mit einfachem Gehirnjogging
Kostenloses Angebot für Geflüchtete und Einheimische

Text: Silke Umlauff
Fotos: Renate Graetsch (2), Silke Umlauff (3)