„Schreiben ist harte Arbeit.“

Annison Moore

Interview mit der Autorin Annison Moore

Du hast mit „Die Zauberer von Lythe“ und „Die Schule von Heshwicks Horn“ zwei Fantasyromane geschrieben, die in der Welt der Zauberer spielen. Was fasziniert dich am Genre Fantasy?
Fantasy wird gerne unterschätzt, dabei ist es das Genre, das die allermeisten Möglichkeiten bietet. Ich kann sowohl eine Liebesgeschichte als auch einen Thriller mit Fantasy-Elementen erzählen. Mich interessiert die Frage, was passiert, wenn ich die Gesetzmäßigkeiten der normalen Welt verändere. Ich habe also eine große Experimentierfläche für gesellschaftliche und moralische Fragen, z. B. was passiert, wenn ich eine Figur wie Susipper mit einer geradezu grenzenlosen Macht ausstatte oder anderen die Wahlmöglichkeit gebe, ob sie ihre magischen Fähigkeiten nutzen möchten oder nicht. Dabei verwende ich das Fantastische eher wie ein Gewürz, es ist nicht das tragende Element meiner Geschichten. Fantasy-Geschichten sind letztendlich die Märchen der Gegenwart. Sie regen die Fantasie an und lassen über den Tellerrand hinausdenken.

Welche Botschaft und Werte vermitteln deine Bücher?
Es geht um die Kraft der Freundschaft, den Umgang mit Herausforderungen, darum, Verantwortung zu übernehmen und letztlich die eigene Position im Leben zu finden.

In deinen zwei Romanen spielen die Zwillinge Kathrine und Colin die Hauptrolle. Zufall oder war es dir wichtig, dass sowohl eine weibliche als auch eine männliche Person eine Rolle spielt? Und warum Zwillinge?
Das hat wohl tatsächlich etwas mit meiner Biografie zu tun. Ich war ein Einzelkind und habe mir immer einen Bruder oder eine Schwester gewünscht. Einen Zwilling zu haben, erschien mir dabei die beste aller Lösungen.

Wie bist du zum Schreiben gekommen, und was macht dir daran Spaß?
Ich habe tatsächlich „immer“ schon geschrieben und bin als Kind sehr tief in Geschichten eingetaucht, die mir begegnet sind, habe sie nachgespielt und auch irgendwann weitergesponnen. Es gibt auch noch ein, zwei Entwürfe für Kinderbücher, die ich als Jugendliche entwickelt habe und die dann im Rohbau stehen blieben. Das Schreiben erlebe ich immer wieder als ungeheures Glücksgefühl, so stark, dass ich es mit dem Gefühl der Verliebtheit vergleichen möchte. Daran habe ich gemerkt, dass das Schreiben wirklich zu mir gehört. Das Alleinsein dabei und die Zeit der Stille, in der die Gedanken fließen können, genieße ich ebenfalls sehr.

Es gibt mit den Harry-Potter-Bänden eine Buchreihe, an der sich wahrscheinlich noch lange alle Bücher messen lassen müssen, die in der Zaubererwelt spielen. Deine Zaubererwelt ist ganz bestimmt ebenso spannend, aber alles funktioniert ganz anders …
Harry Potter hat mich auf jeden Fall mitinspiriert, allerdings gab es Geschichten über Zauberer ja im Grunde schon immer. Manche Ideen stammen tatsächlich auch aus Träumen, z. B. das Bild von zwei Geschwistern, die sich in einem hohlen Hügel im Wald verstecken müssen. Das Schreiben kam mir manchmal vor wie eine archäologische Ausgrabung, d. h. ich habe immer wieder hingespürt, wie muss diese Geschichte weitergehen, und manchmal gab es dabei Geheimnisse, die ich selber erst mal knacken musste …

Deine Hauptpersonen mussten ohne Mutter und mit einem sehr häufig abwesenden Vater aufwachsen. Das klingt traurig, aber du bietest im Buch dafür einige Lösungen an …
Beide Romane sind auch „Coming-of-age“, es geht auch um Entwicklung und Ablöseprozesse. Längst nicht immer erleben Kinder die eigene Familie als funktional oder gar liebevoll. Unterstützung und liebevolle Bezugspersonen kann man zum Glück aber auch abseits des klassischen Mutter-Vater-Kind-Klischees finden. In meinen Geschichten fangen Figuren wie Rodair und Elisa das ebenso auf wie die um wenige Jahre älteren Freunde Rachel, Isaac und Geoffrey. Colin und Kathrine sind durch den „Mangel“, den sie auf der einen Seite erfahren, auf der anderen Seite sehr selbstständig und haben untereinander eine sehr enge Verbindung.

Wie tief tauchst du beim Schreiben in deine Figuren ein? Sind sie in der Schreibphase wie Familienmitglieder, mit denen man sich ständig beschäftigt? Was bedeuten sie für dich?
Ich liebe es, wirklich tief in die Empfindungswelt meiner Figuren einzutauchen, und ich denke, auch nur so werden sie glaubhaft und man fiebert (oder leidet) mit ihnen mit. Die meisten Figuren sind auch in irgendeiner Form mit mir verbunden, d. h. einige spiegeln eigene Erfahrungen, Ängste oder sprechen Erkenntnisse über das Leben aus.

Du erschaffst in deinen beiden Romanen eine ganze Fantasiewelt mit unzähligen ungewöhnlichen und sehr fantasievollen und spannenden Lösungen und unvorhergesehenen Wendungen. Steht der Plot von Anfang an fest oder lässt du deiner Fantasie beim Schreiben freien Lauf?
Das Schreiben selbst war leider viel härtere Arbeit, als ich es mir gewünscht hätte, aber ich denke, kreative und auch unkonventionelle Ideen zu entwickeln, fällt mir allgemein leicht. An der Kunsthalle zu Kiel durfte ich ab 2018 z. B. den ganzen Bereich der Bildung und Vermittlung neu denken und mit aufbauen.
Für einen Roman bedeuten „gute“ Ideen aber nicht, dass sich danach alles fügt, im Gegenteil. In manchen Fällen musste ich sehr viel umschreiben, weil ich eine bestimmte Idee oder Entwicklung unbedingt unterbringen wollte und das eigentlich eine Extravaganz war.
Insgesamt schreibe ich nur mit grobem Raster. Ich brauche viel Freiraum, denn auch ich lerne die Figuren erst während des Schreibens vollauf kennen. Wenn ich weiß, welche Wunden oder ungelösten Probleme sie mit sich tragen, wird der Weg allmählich klarer.

Du legst dich bei der Altersangabe nach oben hin nicht fest und es steht auch „All-Age“ auf dem Buchumschlag. Für wen sind die Bücher geeignet?
Ich würde die Bücher ab zehn Jahren empfehlen, wenn es erfahrene Leser und Leserinnen sind. Die Geschichte ist recht komplex und hat auch tragische und düstere Elemente, aber nichts Gruseliges. Auf jeden Fall sind beide Teile klassische, spannungsgeladene All-Age- oder Crossover-Romane wie Harry Potter und Tintenherz.

Als du dein erstes Buch geschrieben hast, waren deine beiden Kinder noch im Vorschulalter, dazu bist du berufstätig und hast ein großes Haus und Garten zu versorgen. Da stelle ich es mir schwer vor, noch Zeit zu finden, um zu schreiben. Wann schreibst du?
Beide Bücher standen tatsächlich in ständiger Konkurrenz zu meinem Familienleben. Vor allem das erste hatte zeitweise einen Stellenwert wie ein weiteres Kind. Ich bin meiner Familie sehr dankbar, dass sie meine „Besessenheit“ dafür so gut mitgetragen hat!
Ich schreibe in Blöcken, mit tatsächlich sehr großen zeitlichen Abständen dazwischen. Mal einige Monate möglichst täglich (abends oder am Wochenende besonders dicht), dann wieder ein halbes Jahr gar nicht, weil es mit dem Alltag einfach nicht funktioniert. Nach längeren Pausen kann ich aber auch besser bewerten, wie gelungen eine Passage ist bzw. was ich verändern sollte. Ich folge der Devise, dass Geschichten reifen müssen.

Was ist für dich das Besondere an Lesungen?
Ich freue mich immer darauf, die Geschichte mit meiner Stimme zum Leben zu erwecken, die Bücher vielen Menschen vorzustellen und mit dem jeweiligen Publikum ins Gespräch zu kommen.

Kontakt: annison.moore@gmx.de,
www.instagram.com/annison.moore/
Text und Fotos: Silke Umlauff