Was heißt hier innenstadtrelevant?

Der Tagesordnungspunkt 6 auf der 316. Sitzung des Ortbeirats (OBR) Hassee / Vieburg klingt eigentlich nicht sonderlich spannend: „Diskussion und Stellungnahme zu Beschlussvorlagen B-Plan 859 und Veränderungssperre Nr. 86“.

Tatsächlich steckt dahinter eine Menge Sprengkraft, die dazu führen könnte, dass das Plaza-Center für immer seine Pforten schließt. Die Fronten zwischen den Handelsketten REWE/ Coop und der Landeshauptstadt Kiel sind verhärtet. Die einen wollen das Einkaufszentrum modernisieren und neue Kunden nach Kiel locken, die anderen möchten, dass es so bleibt wie bisher und sind bereit eine Veränderungssperre zu verhängen.
Grund der Auseinandersetzung ist die geplante Neuansiedlung des Sportartikel-Discounters Decathlon am Winterbeker Weg. Die Stadt beharrt auf dem Standpunkt, dass Sportartikel im „Sondergebiet SB-Warenhaus“ nicht angeboten werden dürften, da sie als innenstadt-relevant eingestuft sind. Möglich sind neben Lebensmitteln nur Baumarkt-Artikel, Möbel, Autos.
„Wir haben zukünftig sogar weniger innenstadt-relevante Fläche als vorher“, hielt Martin Czoske, Geschäftsführer der Supermärkte Nord, bei der OBR-Sitzung entgegen. Beim sky XXL-Markt wird die Verkaufsfläche derzeit von fast 11.000 m² um knapp 4.000 m² reduziert. 2.000 m² der eingesparten Fläche waren Non-Food-Artikel, besonders Bekleidung, Sportartikel und Artikel des täglichen Bedarfs wie Geschirr oder Haushaltswaren, die fortan aus dem Sortiment fallen. „Wir konzentrieren uns auf Lebensmittel“, so Czoske.
Der Sportartikel-Discounter hat ein breites Angebot, zu dem auch Bogenschieß-Anlagen Basketballkörbe und Kanus gehören. „Die Hälfte ist nicht innenstadtrelevant“, meinte er. Zur Präsentation des Store-Konzepts werden mindestens 3.000 m² Verkaufsfläche benötigt sowie Parkplätze vor der Tür.

120-jährige Firmengeschichte
Dierk Berner aus dem coop-Vorstand erzählte aus der 120-jährigen Geschichte der Konsumgenossenschaft, die 80.000 Mitglieder hat. Deren Geschäftsguthaben in Höhe von 85 Mio. Euro stecken zu einem wesentlichen Teil in den Immobilien der coop eG, von denen das Plaza-Center in Kiel das größte Haus ist. „Wir wünschen, dass diese Immobilie ihren Wert behält“, so Berner.
Der Neubau des Plaza-Centers wurde 1970 genehmigt. 1985 gab es eine Erweiterung mit mehreren Shops, 1990 Umbau und Erweiterung des Sportshops, 2002 ein weiterer Umbau mit zusätzlichen Konzessionären. „Wir sind seit Beginn ein Einkaufszentrum mit einem Großverbrauchermarkt und derzeit 29 weiteren Geschäften“, machte Berner klar. „REWE hat stark investiert in das Warennetz, um die Standorte und Mitarbeiter zu halten. Die Politik der Stadt Kiel können wir nicht nachvollziehen. Unser Appell ist, dass wir einen gemeinsamen Weg finden.“ Für einen Kompromiss sprach sich auch Czoske aus: „Wir wollen uns nicht mit der Stadt Kiel streiten.“
Einen ersten Schritt des Entgegenkommens hat der Oberbürgermeister bereits getan, und die Abstimmung in der Ratsversammlung über die Veränderungssperre vertagt. „Ich erwarte, eine Vorlage, in der ein Kompromiss eingeht“, sagte Ratsherr Falk Stadelmann auf der OBR-Sitzung. „Gerade bei einem Betrieb, der so lange in Kiel ist.“

Bleiben Poststelle und Café?
Karl Stanjek vom Seniorenbeirat machte sich Sorgen um die Poststelle im Einkaufszentrum. „Nach unseren Plänen bleiben alle Konzessionäre bestehen, auch die Poststelle“, beruhigte Czoske.
OBR-Mitglied Regine Raupach kauft nach eigenen Angaben seit 1971 im Plaza-Center ein. „Mir ist aufgefallen, dass das Café immer voll ist. Da treffen sich die Leute. Wenn das weg fallen würde, wäre das ein ganz großer Verlust.“

Text: Frahm; Foto: ©Frahm